Fluchtorte etwas spleeniger Autoren

■ Die Edition 406 veranstaltet heute eine Lesung mit ihren Autoren im Literaturhaus

Die Schreiber der Edition 406 wollen einfach nur unterhalten, ohne viel Aufhebens, anscheinend zum eigenen Zeitvertreib. Klar, während des Studiums bleibt viel Zeit für andere Dinge, und warum sich nicht mal an Prosa und Gedichten versuchen. Dabei bitten sie selbst um Entschuldigung, daß es für ihr Tun keine literarische Rechtfertigung gibt. Aber so hoffnungslos liegt der Fall nicht.

Vor allem im ersten Band der drei vorliegenden Anthologien, Liebe ist Tiere zu tragen, findet sich zurückgenommene Prosa, die mit unbeschwerten Alltagsgeschichten aufwartet. Schön die Beschreibung des Nachtportiers im Hotel Tiefstack von Lars Dahms, der – wenn auch etwas moralisch – einen Schipper dabei beobachtet, wie er sich eine Prostituierte aufs Zimmer kommen läßt. Gelungen die Geschichte eines einsamen Ich-Erzählers, der drei Wochen in einer fremden Stadt verbringt. Allerdings wird das dramaturgische Mittel der Wiederholung, das einen erregten und rastlosen Zustand vergegenwärtigen soll, etwas überreizt.

Insgesamt kitzeln die kurzen Liebesgeschichten so in der Form noch nicht beschriebene Gefühlssegmente heraus – widersprüchliche Gefühle, die in ihrer Beschreibung bloß nicht zu übertrieben obskur und skurril daherkommen sollen. Das Hineinhorchen ins Selbst soll dabei einen knappen Gedanken zutage fördern, die Geschichten sind Fluchtorte etwas spleeniger Autoren.

Die anderen zwei Anthologien machen ein wenig ratlos. Kurzweilige Unterhaltung will sich nicht recht einstellen. Der eine Band versucht sich an Beuteltierprosa und erzählt zum Beispiel vom Märchen des Beutelteufels, der im Hühnerstall ein Blutbad anrichtet. Der andere vereint Science-Fiction-Geschichten, bei denen oft die überzogene Begrifflichkeit nervt, über die sich die Autoren eigentlich selbst lustig machen wollen. Eine Kostprobe: Der antimateriellionisierte maxwellsche Longtitudenianl...

Kai Mierow

Literaturhaus, 20 Uhr