Betze plädiert für Abstinenz

Nach dem 1:2 gegen den SC Freiburg bestehen Zweifel, ob allein die Entlassung von Friedel Rausch den 1. FC Kaiserslautern retten kann  ■ Von Günter Rohrbacher-List

Kaiserslautern (taz) – Mit Pfiffen und Schmährufen der angeblich besten Fans der Liga hat mancher FCK-Profi in den dreieinhalb Monaten dieser Saison zu leben gelernt. Man hat es müssen, bei einer Heimbilanz von einem Sieg, vier Unentschieden und drei Niederlagen! Fans der etwas intelligenteren Art aber, die des SC Freiburg, legten ihre Finger tief in die klaffende Wunde des kranken Corpus FCK und skandierten bereits nach zwölf Minuten: „Ihr seid besser als der FCK!“

Wie wahr, hatten doch Sutter (1.), Heidenreich (8.) und Spanring (12.) klare Chancen zwar ausgelassen, aber eben auch herausgespielt. Es waren Chancen, bei denen der FCK tatenlos und paralysiert danebenstand und staunte. Als die Breisgauer in Block 1 gar noch eins draufsetzten und schonungslos outeten: „Lautern ist nervös!“ war es mit dem Quentchen Selbstvertrauen, das den Roten Teufeln aus besseren Tagen noch geblieben ist, tatsächlich vorbei. Nach einer halben Stunde kam FCK-Trainer Friedel Rausch, die Arme in die Hüften gestützt, kopfschüttelnd erstmals an die Bande.

„Ich bin 55“, hat er gesagt, nachdem das Spiel 1:2 verloren war, „ich habe viele Höhen und wenig Tiefen erlebt und lasse mich auf keinen Fall verrückt machen.“ Braucht er nicht, nur nachdenklich werden über eine Vorstellung, die gezeigt hat, daß sportlich längst gar nichts mehr geht beim 1. FCK. Beim Publikum übrigens auch nicht mehr: Nicht nur die Kutten schreien lauthals nach einem anderen Trainer. Und hatte Rausch nicht im Laufe der Woche verkündet, er werde „eventuell zurücktreten, wenn ich merke, daß sportlich nichts mehr geht und das Publikum zu sehr gegen mich ist“? Längst dementiert, die Parole lautete: „Ich werde über einen Rücktritt nachdenken, wenn es auch nach der Winterpause nicht läuft.“ Dann aber ist es vielleicht zu spät.

Zu spät schon suchte Manager Geye nach einem Mittelfeldspieler, der Ciriaco Sforza ersetzt hätte. Balakow schweigt sich über die Gründe für seine Absage aus, Martins war angeblich zu teuer, und Borimirow schnappten die Münchner Löwen ihren Freunden weg. Es war Rausch, der sich vom damals arbeitslosen Eckhard Krautzun dessen „Pelé“ Wollitz aufschwatzen ließ, der seither wie ein kranker Laufvogel auf dem maroden Rasen des Betzenbergs umherstolpert und von den Fans immer wieder ausgepfiffen wird. Selbiges passiert auch den anderen als Fehleinkäufen rezipierten Neuen: Uwe Wegmann, Bernd Hollerbach, Frank Greiner und Horst Siegl.

Zu spät haben Trainer und Präsidium registriert, daß der 1. FCK längst gegen den Abstieg kämpft. Erst in der letzten Woche gestand Rainer Geye ein, sich nach dem Brasilianer Arilson um weitere Verstärkungen (unter anderem den Leipziger Toremacher Jürgen Rische) zu kümmern und dafür einige Spieler (wen wohl?) abzugeben.

Nach Spanrings Freiburger 1:0 (51.) und dem Ausgleich durch Pavel Kuka (73.) war es ausgerechnet der vor den Toren Kaiserslauterns in Bottenbach geborene und vom FC Homburg verpflichtete Steffen Korell, der vier Minuten vor Schluß das verdiente 1:2 erzielte. Korell wäre auch nach Kaiserslautern gegangen, doch dort war er nicht erwünscht, da seine Position besetzt war. Der Mann war gerade erst zwei Minuten im Spiel, wurde „nicht angegriffen“, und hatte daher „einfach draufgehalten“. So geht das, wenn man „das Quentchen Glück“ hat. Das entdeckt plötzlich Volker Finke wieder in den eigenen Reihen. „Wir hätten auch höher gewinnen können“, sagte der Trainer des SC Freiburg – und lag damit nicht falsch.

Geht alles so weiter in Kaiserslautern, muß man in der Hinrunde noch Niederlagen in Rostock und gegen Leverkusen annehmen. Gehen dann auch die ersten beiden Rückrundenmatches gegen Dortmund und in Mönchengladbach verloren, könnte alles zu spät sein. Weil das nicht passieren soll, wollte Reiner Geye „erst mal drüber schlafen“ und dann den Sonntag zum Nachdenken nutzen. „Wenn man mich nicht mehr möchte“, sagte hierzu scheinbar abgeklärt Friedel Rausch, „nehme ich das zur Kenntnis.“ Die Geschichte lehrt: Ein Trainerwechsel Ende Februar brachte 1990 noch die Rettung. Die Frage aber ist: Wo sollte diesmal einer wie Karlheinz Feldkamp herkommen?

Manche hoffen weniger auf einen neuen Trainer, mehr auf Arilson, der am Donnerstag in Kaiserslautern erwartet wird. Und darauf, daß Axel Roos es zusammen mit seinen pfälzischen Mitspielern Thomas Hengen, Thomas Riedl, Roger Lutz und Christoph Dengel schaffen wird, das Gründungsmitglied in der Liga zu halten. Zwar sind es eigentlich nur drei Punkte zu Platz neun, doch hat der 1. FCK in der Rückrunde nur noch acht Heimspiele, und vier der letzten sechs Spiele sind auswärts. Und bei einem Abstieg wäre auch ein ebenfalls noch möglicher Pokalsieg kein Trost, sondern nur bitterer Sarkasmus.

SC Freiburg: Schmadtke - Spanring, Zeyer, Freund - Todt, Heidenreich, Vogel (75. Rraklli), Kohl, Sundermann (83. Korell), Sutter (89. Neitzel) - Jurcevic

Tore: 0:1 Spanring (51.), 1:1 Kuka (73.), 1:2 Korell (86.); Zuschauer: 35.901

1. FC Kaiserslautern: Schwarzer - Kadlec - Koch - Schäfer, Riedl (60. Flock), Wollitz, Brehme, Wagner, - Kuka, Siegl (46. Dengel), Marschall (83. Hengen)