■ Politisch-historische Konferenz der PDS in Berlin
: Der Webfehler

„Wir stellen uns unserer historischen Verantwortung.“ Dieses Signal sollte von der politisch-historischen Konferenz der PDS ausgehen. Doch genau das Gegenteil hat die PDS an diesem Wochenende demonstriert, auch wenn viel von Verbrechen, Irrtümern und Verantwortung die Rede war. Die PDS zeigt sich weitgehend unfähig, sich selbstkritisch mit ihrer Geschichte auseinanderzusetzen, denn am Beginn ihrer inzwischen sechsjährigen Geschichte stand ein Webfehler, und die führenden Politiker der PDS sind auch heute nicht bereit, ihn einzugestehen, geschweige denn, ihn zu beseitigen.

Auch wenn sie es uns weismachen wollen, wird es kaum ein historischer Zufall gewesen sein, daß plötzlich Leute wie Markus Wolf, Gregor Gysi oder Hans Modrow die Geschicke der SED in die Hand nahmen. Der Konflikt zwischen denjenigen, die mit dem Parteiapparat der SED in die PDS hinüber gerettet wurden, und anderen, die damals wie heute selbstkritisch neue politische Perspektiven entwickeln wollen, prägt die sechsjährige Geschichte dieser Partei.

Es reicht eben nicht, wenn PDS-Vordenker André Brie minutiös den Nachweis führt, daß am Anfang der PDS ein eindeutiger Beschluß über den Bruch mit dem Stalinismus und seinen Strukturen gestanden habe. Es hätte eine kritische Betrachtung darüber folgen müssen, wie widersprüchlich sich bis heute die Emanzipation von den stalinistischen Strukturen vollzieht. Doch weder die Finanzskandale, in denen die alten Kader mindestens zweimal das mögliche Ende der PDS provozierten, noch die widersprüchliche MfS-Debatte der Genossen wurden kritisch hinterfragt. Daß sich die PDS bis heute mit Mitgliedern herumschlagen muß, die die Wende in der DDR als „Konterrevolution einer gorbatschowistischen Clique“ geißeln, ist ein Resultat des Webfehlers.

Wenn die PDS dennoch in absehbarer Zeit politische Verantwortung übernehmen wird, dann aus zwei Gründen: Die Menschen in den neuen Bundesländern sind der Art überdrüssig geworden, wie realitätsfern die westdominierte Debatte über die DDR-Geschichte in den letzten Jahren geführt wurde, und die Mehrzahl der PDS-Mitglieder haben, den ostdeutschen Interessen zugewandt, ihre Vergangenheit erfolgreich ausgesessen. Ein Parteibeschluß, der den Erwartungen der Sozialdemokraten genüge täte, wird sich da schon fassen lassen. Christoph Seils

freier Journalist, lebt in Berlin