Banker in Zeiten der Staatsanwälte

Das Image der Großbanken ist am Boden und damit das Ansehen ihrer Angestellten – die aber bleiben gelassen, solange ihr Gehalt nicht mitsinkt  ■ Aus Frankfurt/Main Klaus-Peter Klingelschmitt

Sie haben keinen Bock mehr, gewichtige Anteile Ihrer sauer verdienten Millionen via Quellensteuer oder anderer Folterinstrumente des Fiskus dem Bundeshaushalt zuzuführen? Oder müssen Sie gar Schotter aus eigentlich illegalen, aber dafür äußerst lukrativen Geschäften sicher anlegen? Nein, die Mafia brauchen Sie dafür nicht zu konsultieren. Und auch die Unterhaltung eines teuren Nummernkontos in der Schweiz ist eigentlich so überflüssig wie ein Kropf. Gehen Sie mit Ihren Problemen einfach zur Bankfiliale um die Ecke, wenn die nicht gerade eine regionale Volksbank oder Sparkasse ist. Denn zur Abwicklung von „Big Deals“ geht man zum Schmitt – und nicht zum Schmittchen.

Es waren die Großbanken, die Dr. Jürgen Schneiders fette Beute – via Genf, London und Nassau (Bahamas) – in die USA transferierten. Und es waren die renommiertesten deutschen Banken, die für ihre Kunden zweistellige Milliardenbeträge an der Steuer vorbei nach Luxemburg oder Belgien schafften. Bei deutschen Banken gehen die Staatsanwälte und Steuerfahnder ein und aus – und zwar nicht erst seit dem gescheiterten Versuch eines Computerspezialisten, die Commerzbank mit Listen deutscher Kapitalflüchtlinge zu erpressen, die ihr Geld bei der Commerzbank International S. A. Luxemburg bunkerten.

Schon im Januar 1994 durchsuchten Steuerfahnder die Dresdner Bank in Düsseldorf und deren Zentrale in Frankfurt, weil die zweitgrößte deutsche Bank die unversteuerten Millionengewinne zahlreicher Unternehmer im Steuerparadies Luxemburg anlegte und so half, den Fiskus um Millionenbeträge zu prellen. Unter Berufung auf den Datenschutz zog die Dresdner seinerzeit vor das Bundesverfassungsgericht – und fiel dort auf die Schnauze. Danach suchten Steuerfahnder und Staatsanwälte bundesweit die Filialen von Hypo Capital Management (H. C. M.) heim. Es folgten Razzien bei der Norddeutschen Landesbank (Nord LB) und der Deutschen Bank (Saar). Und die Fahnder wurden fündig: unversteuerte Gewinne und gefälschte Bilanzen, Gelder aus schwarzen Kassen, Beträge (noch) unbekannter Herkunft. Eine „großangelegte Treibjagd“ nannte das die Wirtschaftswoche.

Der Imageschaden für die Banken ist beträchtlich. Und nicht nur der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Hilmar „Peanuts“ Kopper, hat auch ein internes Imageproblem zu bewältigen. Fast zwei Drittel der MitarbeiterInnen der Deutschen Bank sind heute nicht mehr stolz darauf, Angestellte der Bank zu sein, deren Umsatzvolumen mit rund 500 Milliarden Mark größer ist als das des Bundeshaushaltes.

Auch die Angestellten anderer Großbanken geben im Freundeskreis inzwischen eher verschämt zu, daß sie bei einer Bank arbeiten. „Dann heißt es doch gleich: Aha, du gehörst also auch zu den Abzockern“, sagt Kassierer Norbert B. von der Filiale einer der drei Großbanken in Frankfurt. Dabei, sagt B., gehe es bei der Kritik an den Banken weniger um die großformatigen krummen Geschäfte.

„Muß ich bald Eintritt bezahlen bei der Bank?“

Es seien vielmehr die offenen und versteckten Gebühren bei der Kontoführung und bei der Tätigung von Bankgeschäften, die Anlaß zum „kollektiven Geschimpfe auf die Banken“ böten. Selbst seine Frau habe ihn erst vor wenigen Tagen „mit sarkastischem Unterton“ gefragt, ob sie demnächst noch Eintritt bezahlen müsse, wenn sie die Filiale ihrer Bank besuche? Kassierer Norbert B. läßt sich auf „solche Diskussionen“ meist nicht ein, denn: „Mit der Gebührenpolitik meiner Bank habe ich doch nix zu tun – und noch viel weniger mit dubiosen Insidergeschäften oder der Verschiebung von Einlagen an der Steuer vorbei nach Luxemburg.“

Es ist 12 Uhr mittags in der City von Frankfurt am Main. Die Türen der „Geldspeicher“ der Großbanken öffnen sich wie jeden Werktag und spucken pausenlos Banker aus, die zum Lunch in die Bistros in der Freßgaß oder der Kaiserstraße strömen. In feinem Tuch und mit blankgeputzen Stiefeletten oder Slippers stehen sie an den Italo- Tresen der einschlägigen Lokalitäten, trinken Perrier oder San Pellegrino und ordern Salate oder kurzgebratene, kleine Steaks.

Die Herren aus den Vorstandsetagen in noch feineren, meist dunkelblauen, nadelbestreiften Anzügen sitzen im Gallo Nero bei Seeteufel oder Lammfilet. „Kein Kommentar!“ der Geldmanager aus den oberen Stockwerken der Geldinstitute zum derzeit schlechten Image der Banken. Aber am Italo-Tresen wird heftig debattiert: etwa über die von Kopper forcierte Umstrukturierung bei der Deutschen Bank. Filialen sollen geschlossen und die Telefonbank Bank 24 ausgebaut werden. „Da werden bundesweit Tausende von uns ihren Hut nehmen müssen“, sagt einer.

Daß ihr Image als Banker nicht mehr das beste ist, kratzt die Herren dagegen nicht sonderlich. „Ich hör' immer Image. Ist mir doch wurscht. Die Hauptsache ist doch, was ich am Monatsende auf dem eigenen Konto habe.“ Und das könne sich immer noch sehen lassen – im Vergleich mit den Gehältern in anderen Branchen. An den Banken komme, auch wenn das Image tatsächlich schlecht sein sollte, ohnehin kein Mensch vorbei, sagt der Filialleiter einer lokalen Bank aus dem Stadtteil Bockenheim, der sich täglich mit dem Taxi zum Lunch in die City chauffieren läßt. „Oder wollen Sie Ihr Geld demnächst wieder im Sparstrumpf unterm Bett verstecken?“

Es könne doch nicht den Banken angelastet werden, wenn Kunden ihr sauer verdientes Geld an der Steuer vorbei in Luxemburg, Belgien oder Österreich „parken“ wollten. Der aus dem Strafrecht entlehnte Begriff der „Beihilfe“ zu einem Verbrechen greife hier nicht, denn die Banken hätten doch „völlig legal“ gehandelt. „Oder ist es vielleicht verboten, im europäischen Ausland oder auch in Übersee Tochtergesellschaften zu gründen oder mit ausländischen Banken zu kooperieren?“

In der Redaktion spuckt der Ticker am Nachmittag eine Meldung aus: „Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt gegen einen Mitarbeiter der Dresdner Bank AG wegen des Verdachts auf verbotenen Insiderhandel mit Aktien des Maschinenbauers Klöckner- Humboldt-Deutz.“ Ist der Ruf erst ruiniert...