„Wie können wir in dieses Land zurückkehren?“

■ Bündnis bosnischer Exilorganisationen kritisiert Friedensvertrag von Dayton. Flüchtlinge sollen nicht abgeschoben werden, bevor Bosnien ein demokratisches Land ist

Frankfurt (taz) – Auf vorerst elf Forderungen einigten sich gestern mittag über 100 Delegierte des „Europäischen Forums für Bosnien-Herzogewina“. Sie reagierten damit auf den Friedensvertrag von Dayton, der „viele furchtbare Lücken“ habe. Das Bündnis aus über hundert bosnischen Exilorganisationen und -vereinen hatte sich kurzfristig im Frankfurter Ostend zu einer ersten Krisensitzung über das Abkommen getroffen. Die Zusammenkunft resultierte auch aus der Ankündigung bundesdeutscher Politiker, unter anderem des bayerischen Innenministers Beckstein, daß die Flüchtlinge und Vertriebenen umgehend in ihre Heimat zurückkehren müßten. Dies würde in Deutschland 320.000 der insgesamt rund 750.000 Flüchtlinge betreffen.

Das Bündnis forderte die Bundesregierung auf, den bosnischen Menschen entweder Sicherheit und Einhaltung der Menschenrechte zu garantieren oder ihnen ein Bleiberecht in der Bundesrepublik zu geben. Über das Daytoner Abkommen müsse zuerst in einer Volksabstimmung aller BosnierInnen im eigenen Land und im Exil entschieden werden. Außerdem lehnte das Forum die Gründung zweier Teilrepubliken ebenso wie die Bildung zweier Armeen „prinzipiell“ ab und verlangte Schutz der Flüchtlinge bei der Rückkehr „in ihre Häuser, in ihre Dörfer“. Sie dürften nicht in andere Regionen abgeschoben werden. Auch Freizügigkeit, freie Wahlen und Sicherheit der Landesgrenzen müsse durch UNO und Nato gewährleistet werden. Kriegsverbrecher müßten dem internationalen Tribunal in Den Haag ausgeliefert und bestraft werden. Wirtschaftshilfe solle nur an Regionen gezahlt werden, die demokratische Strukturen herstellen und sei auch von den Serben zu leisten, „die Bosnien in Schutt und Asche gelegt haben“.

Vor allem die TeilnehmerInnen, die Massenmorden und Todeslagern entkommen konnten, fragten in Frankfurt immer wieder: „Wie können wir zurückkehren? Wie können wir mit unseren Nachbarn leben?“ Es sei schließlich „vor allem die serbische Bevölkerung und Territorialverteidiger gewesen“, die dort an Tötungen und Internierungen beteiligt war. Eine Katholikin, die nach Posovina in den dann serbisch verwalteten Korridor nach Brcko zurückkehren müßte, fürchtete um „die Sicherheit für meine Familie und meine Kinder“: „Ich bitte alle, meine Leute nicht wie Pferde oder Schweine zu verkaufen!“ Der Bundesvorsitzende der „Gesellschaft für Bedrohte Völker“, Tilman Zülch, kündigte eine weitere Konferenz an, bei der ein fester Zusammenschluß des lockeren Bündnisses geplant sei. Heide Platen