In Zentralbosnien brennen die Häuser

■ Kroatische Soldaten plündern Dörfer und Städte, die nach dem Friedensvertrag von Dayton an die Serben abgegeben werden müssen. Tausende Serben demonstrieren für ein „serbisches Sarajevo“. Karadžić droht der Nato

Wien (taz) – Nur wenige Tage nach der Paraphierung des Friedensabkommens für Bosnien wird dieses erneut in Frage gestellt. So forderte der Führer der bosnischen Serben Radovan Karadžić neue Verhandlungen über den Status von Sarajevo. In den serbischen Teilen der bosnische Hauptstadt demonstrierten Tausende für ein „serbisches Sarajevo“. In mehreren Städten Bosniens kam es zu Plünderungen und Brandstiftungen, Demonstrationen und Ausschreitungen.

Die schwersten Zwischenfälle ereigneten sich nach UNO-Angaben aus Sarajevo sowie Berichten der BBC südlich von Banja Luka, wo kroatische Verbände in den Städten Mrkonjic Grad und Sipovo ganze Straßenzüge in Brand steckten. Sie forderten die serbischen Einwohner ultimativ auf, ihre Wohnungen für immer zu verlassen. Nach dem Friedensvertrag von Dayton müssen die Kroaten aus den erst kürzlich zurückeroberten Städten wieder abziehen und die lokale Verwaltung der serbischen Seite überlassen.

Obwohl ein Rückkehrrecht der Flüchtlinge im Dayton-Papier festgeschrieben ist, scheinen die Akteure vor Ort vollendete Tatsachen schaffen zu wollen. Kroatische Kommandeure verteidigten gestern die Übergriffe mit dem Argument, die Serben hätten in den letzten Tagen mehrere tausend Kroaten und Muslime in Banja Luka zur Flucht getrieben und deren Eigentum konfisziert. Im kroatischen Kampfsender Herceg-Bosna hieß es, daß man auch den südlichsten Zipfel Kroatiens, das Hinterland von Dubrovnik, nicht freiwillig räumen und einen serbischen Korridor ans Meer mit allen Mitteln verhindern werde – auch mit militärischen.

Der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić drückte sich ähnlich militant aus. Nachdem er am Samstag gesagt hatte, er wolle die strittigen Fragen künftig am Verhandlungstisch lösen, drohte er gestern damit, daß sich die Serben aus Sarajevo der Rückgabe ihrer Stadtviertel an die muslimisch-kroatischen Behörden gewaltsam widersetzen werden. Bestimmte Stadtviertel seien seit Jahrhunderten serbisch, sagte Karadžić am Sonntag in Pale der US-Fernsehagentur WTN. „Diese Serben werden muslimischen Soldaten oder Polizisten nicht gestatten, in ihre Gemeinden einzudringen, und sie werden entweder kämpfen oder für fünf Jahre internationalen Schutz verlangen.“ Die Demonstranten in Sarajevo sagten, für sie sei es unannehmbar unter muslimisch-kroatischer Herrschaft zu leben. Sie wollten aber ihre Heimatstadt auch nicht verlassen. Demonstrationen gab es auch in anderen Städten der serbischen Gebiete Bosniens.

Gegenüber dem britischen Rundfunksender BBC drohte Karadžić der Nato gestern mit einem „furchtbaren Alptraum“, sollten die Soldaten versuchen, ihn oder einen seiner Leute festzunehmen. Dann werde es zu einem Blutvergießen mit „vielen toten westlichen Soldaten“ kommen. Karl Gersuny Seite 2