Günter Elste wird lukrativ entsorgt

■ Der SPD-Fraktionsvorsitzende soll Hochbahn-Chef werden Von Florian Marten

“Wir denken an eine langjährig leitungserfahrene Persönlichkeit – im Alter bis Anfang 50. Sie denken strategisch-konzeptionell. Ihr Handeln ist fest mit dem operativen Geschäft eines leistungsfähigen ÖPNV verwachsen. Zudem überzeugen Sie uns als hervorragend verhandlungssicherer Repräsentant. Im Zuge der weiteren strategischen Entwicklung des Hauses suchen wir eine hochqualifizierte und unternehmerisch geprägte Persönlichkeit.“ Während die Personalberatungsfirma Kienbaum noch mit Groß-Anzeigen (z. B. in der FAZ vom 11.11.95) nach einem neuen Häuptling für das „zweitgrößte Verkehrsunternehmen Deutschlands“, die Hamburger Hochbahn AG (HHA), sucht, haben Hamburgs Sozis den Job schon längst an einen der ihren vergeben: Voraussichtlich zum 1. April 1996 wird der Multifunktionär Günter Elste, in Personalunion Boß des SPD-Kreises Wandsbek, der SPD-Bürgerschaftsfraktion und der Stadtstaatsholding HGV, für ein Jahresgehalt von mindestens 300.000 Mark Chef der HHA.

Die Verträge sind zwar noch nicht unterschrieben, doch intern sind alle Hindernisse längst beseitigt: Elste, der gegenüber der taz die Lust auf das einträgliche Amt nicht leugnete, hat nach dem Segen von Bürgermeister Henning Voscherau und des HHA-Aufsichtsratschefs, Verkehrssenator Eugen Wagner, jetzt auch das O.K. des HHA-Betriebsrates. Zunächst hatte die ÖTV-Filzriege innerhalb der HHA mit einer anderen Lösung geliebäugelt: Der Arbeitsdirektor wollte selbst in den Vorstand, daraufhin wäre der Job des Arbeitsdirektors für Mitglieder des Betriebsrats frei geworden ... Ein Insider spöttisch: „Da knallte Filz auf Filz.“

Jetzt hat sich die Wandsbek-Connection um Voscherau und Elste durchgesetzt. In einem Vier-Augen-Gespräch gelang es Elste vor wenigen Tagen mit sanftem Druck, den Betriebsrat von der Aussichtslosigkeit seiner Aufstiegspläne zu überzeugen. Dabei ist Elste durch seinen Job als Chef der HGV, die formal alle öffentlichen Unternehmen der Stadt kontrolliert, noch bis 1998 bestens versorgt. Doch Elste, der sich seinen Vertrag kurz vor der Bürgerschaftswahl 1993 aus Angst vor Rot-Grün vorzeitig um fünf Jahre verlängern ließ, denkt lieber in größeren Zeiträumen.

Die nächste Wahl wird, das wissen die Genossen, furchtbar. Egal ob CDU oder Rot-Grün – 3 bis 5 Senatorenposten fallen weg. Im Gedrängel um die übrigbleibenden Plätze hätte Elste nur wenig Chancen. Wechselt er dagegen an die Spitze der HHA, schlägt Voscherau gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe: Als Chef von 5 000 abhängig Beschäftigten wäre Elste bestens versorgt. Zudem könnte er die Verkehrspolitik einer denkbaren grünen VerkehrssenatorIn erfolgversprechend sabotieren. Schließlich würde Elstes Weggang gleich zwei weitere Jobs freimachen: den Chefsessel der HGV für einen weiteren Versorgungsfall und den Stuhl des Fraktionsvorsitzenden, um den bereits heftig gerangelt wird. Voraussichtlich bereits im Januar wird Elste den Stab an den einstigen Voscherau-Gegner Jan Ehlers weiterreichen, der seit Jahren davon träumt, die Fäden einer rot-grünen Koalition zu ziehen, und in den vergangenen Jahren durch allertreueste Gefolgschaft dem Bürgermeister solide Ergebenheit bewies.

In Kreisen von Verkehrsexperten hofft man allerdings, daß Elste der HHA erspart bleibt. Schließlich gilt der Wandsbeker Diplom-Kaufmann auch unter Genossen als unfähig, ein höheres Senatsamt zu bekleiden. Die gewaltige Aufgabe schließlich, den verkrusteten HHA-Apparat aufzuknacken und in einen modernen Verkehrsdienstleister umzuwandeln, wäre da noch einige Stufe höher anzusiedeln. Zudem ist Verkehrs- und ÖPNV-Know-how wohl das letzte, was den Wandsbeker Auto- und Transrapidfreund auszeichnet.

Statt dessen braucht die HHA, so meinen Insider und Verkehrsexperten unisono, eine wirkliche Führungspersönlichkeit, die dem von platter Technikdenke und Überalterung geprägten Großunternehmen mit modernem Kostenmanagement und einer expansiven Strategie auf die Sprünge hilft.

Auch wenn derartige WunderkönnerInnen dünn gesät sind – es gibt sie. Nach ihnen wird derzeit allerdings erst gar nicht gefahndet. Denn erstens hat die Modernisierung der HHA wie des gesamten HVV bei Voscherau und Wagner alles andere als Priorität. Zweitens ist die öffentliche Ausschreibung des HHA-Chefjobs ohnehin nur eine Formalie.

Und drittens erfüllt Günter Elste immerhin eine der in den Inseraten genannten Anforderungskriterien: Im Januar nächsten Jahres feiert er seinen 47. Geburtstag.