Bares für meinen Mercedes?

■ Es gibt ein Wort, das man in deutschen Pfandleihäusern besser nicht in den Mund nimmt: Wucher. Und einen richtigen Boom sollen Auto-Pfandleihhäuser erleben, sogar in Bremen – alles Quatsch, findet Herr Jordan

Bargeld lacht. Nur wem lacht Bargeld? Vordergründig dir und mir! Und zwar dann, wenn du und ich zum Pfandleiher gehen und ihm unseren 100.000-Marks-Mercedes auf den Hof stellen. Mit 50.000 Mark Bargeld auf der Kralle ziehen wir glücklich von dannen, um einen kurzfristigen finanziellen Engpaß zu überbrücken.

Hintergründig lacht Rick aus Miami, Autopfandleiher zu Nürnberg. Er nimmt für seine Pfandleihbemühungen umstandslos 12 Prozent von dem Baren auf deiner und meiner Kralle für sich. Monatlich. M-O-N-A-T-L-I-C-H. Von Rick und seinen sagenhaften Geschäften berichtete neulich das Zentralorgan der deutschen Bleifußmehrheit, die ADAC-motorwelt. Und von einem Boom in der Autopfandleihe. Und von Herrn Jordan aus Bremen.

Um genau zu sein: die motorwelt druckte seine Telefonnummer ab, unter der Rubrik „Auto-Pfandleihhäuser“. Daraufhin riefen 200 Leute bei Herrn Jordan an, um Tips zu bekommen, wie man es anstellt, so sagenhaft zu verdienen wie Rick aus Miami und all die lachenden Jungs, die sich immer mit einem Bündel Riesen in der Faust ablichten lassen. Die Anrufer waren meistens Besitzer einer leerstehenden Halle im Osten der Republik, wo man doch eigentlich Pfandautos unterbringen könnte. Doch bei Herrn Jordan waren sie an der falschen Adresse.

Es gibt ein Wort, das man in deutschen Pfandleihhäusern besser nicht in den Mund nimmt: „Wucher“. Wer dieses Wort in den Mund nimmt, kommt unter einem Kilo Presseinformation vom Zentralverband des deutschen Pfandkreditgewerbes e.V. nicht davon. Aber Herr Jordan, Besitzer des Leihhauses in der Neustädter Friedrich-Ebert-Straße: „Was die Auto-Pfandleiher machen, das ist Wucher.“ Man muß nämlich zwischen richtigen Pfandleihern und Trittbrettpfandleihern unterscheiden. Trittbrettpfandleiher sind Autohändler, die ein lukratives zweites Bein anstreben. Herr Jordan ist natürlich ein richtiger.

Sein Geschäft sieht aus wie eine Mischung aus Pfandleihhaus und Bank. Folglich hat es einen Panzerglasschalter. Zwar hat er auch eine Tiefgarage für deinen und meinen Mercedes. Aber die steht meistens leer. Dabei nimmt er nur ein Prozent Zinsen im Monat plus einer festen Gebühr. Herr Jordan denkt, der deutsche Autofahrer, zumindest aber der Bremer, verzichte lieber auf seine Brillis, seine falsche Rolex oder seine Nikon als auf sein Auto.

Apropos falsche Rolex: „Wir müssen uns in Warenkunde auskennen,“ sagt Herr Jordan. Wenn er die falsche Rolex, das falsche Gold oder den zurückgestellten Kilometerzähler nicht entdeckt, ist der Pfandleiher der Gekniffene. Mit Brillis und anderem Edelklunker kennt sich ein Pfandleiher aus. Es gibt sogar in der Edelsteinzentrale Idar-Oberstein Fortbildungsseminare. Um einen PKW einzuschätzen, greift er zum Schwacke, der offizösen Gebrauchtwagenpreisliste, und holt sich einen Spezi.

Kurzkredite bis zu drei Monaten kennzeichnen das ( blühende) Geschäft (Umsatz in Deutschland im Jahr 1994: 0,6 Mrd.). Das ist die Marktlücke, in der der Pfandleiher den Banken die Butter vom Brot nimmt.

Für solche Kurzzeitdarlehen sind Banken kaum zu haben. Insbesondere nicht so umstandslos: Einfach Pfand abgeben – und Bargeld lacht. Keine Schufa, kein Gehaltszettel, nicht mal Schulden. Nur das Auto/die Rolex/der Brilli gehören drei Monate lang nicht mehr dir oder mir. Danach kann man das Pfand, so man das Geld inclusive Zinsen und Gebühren zusammen hat, wieder einlösen. Melden wir uns nicht, kommt der Mercedes unter den Hammer. Hieran kann man erkennen, daß Auto-Pfandleiher und Autohändler recht gut zusammenpassen.

Herr Jordan aber öffnet seine Hand und hält sie, als hätte er ein Küken drin - oder für 100.000 Mark Schmuck. Pah Autos! Tiefgarage! Schmuck ist sein Geschäft. Gold! Machen 80% des Umsatzes aus. Soeben schiebt ein Kunde (Hat er sich nicht ein wenig zu sehr den Mantel hochgeschlagen? Hat er nicht sogar den Hut ins Gesicht gezogen?) eine Goldmünze über den Tresen. Wie steht der Krügerrand? 360! Der Kunde brummelt unzufrieden. Und kein Bargeld lacht.

BuS