Poesiehäppchen an Bleisatz

■ Zur „Buchlust“, der Buchmesse der Kleinverleger, trafen sich in Hannover 20 Verlage aus Niedersachen und Sachsen-Anhalt

„Verlegen ist ein luxuriöses Hobby“, erklärt Wolf Marchand vom „Verlag an der Este“. Der grauhaarige Bücherfreund ist einer von zwanzig Ausstellern bei der „Buchlust“, Niedersachsens wichtigster Buchmesse für Kleinverlage. Sein Stand gehörte am Wochenende zu den größten in Hannovers Sprengelmuseum. Doch zum Leben reicht es meist auch bei den Großen unter den Kleinen nicht.

Professionell arbeiten und träumen – Marchands Haltung war symptomatisch für das Gros der Ausstellenden. Ein junges Göttinger Team hatte die logistische Unterlegenheit gegenüber dem kommerziellen Großverlag gar zum Motto erhoben. „Davids drucke“ nennt sich der Verlag; ein Name, der sagen will: „klein, aber oho!“. Und: Klüger sind wir sowieso. Die Idee ist wichtig, nicht, ob sie sich verkauft.

Bei Marchand ist es die Idee des stillen, oftmals schwarz-weiß gehaltenen Kinderbuches. „Das gilt in der Branche als Garantie für einen Flop“, weiß Marchand. „Aber dieser primärfarbene Bilderbuchschrott ist doch ein Mittel zur Verblödung. Wenn die Buchhändler Kinder wären und nicht Erwachsene wären, wäre mein Verlag der erfolgreichste der Republik“, behauptet er.

Sind sie aber nicht. Der Weg zum Kunden ist das Hauptproblem für die Kleinverleger. „Die Kleinen bemerkt man in den Buchhandlungen einfach nicht“, weiß auch Buchlust-Organisatorin Anja Floetenmeier vom Literaturbüro Hannover. Der Grund, um zusammen mit dem städtischen Kulturamt zum zweiten Mal dieses Forum für kleine Verlage aus Niedersachsen und Sachsen-Anhalt zu schaffen. Die „Buchlustigkeit“ der Texte war, laut Mitorganisatorin Anke Kracke vom Kulturamt, bei der Auswahl entscheidend. „Wichtig ist für uns, den Spaß am Lesen zu fördern.“

Im letzten Jahr trat die Buchlust erstmals an, um den etablierten, aber eingefahrenen Literaturmarkt abzulösen und hatte aus dem Stand 2500 Besucher angelockt – eine Zahl, die in diesem Jahr nochmal übertroffen wurde. Zugpferde wie Harry Rowohlt und Joseph von Westfalen sorgten mit Lesungen für volle Säle.

Floetenmeier führt den Erfolg auf das veränderte Ambiente zurück: mehr Chic, warmes rotes Tuch an den Wänden, viele Sitzgelegenheiten. Es soll nicht nur gekauft und geschaut werden, sondern gelesen. „Und das tue ich nicht, wenn es ungemütlich ist“, sagt sie, während Marianne Riegers Gedicht „Der Schlapphut“ aus den Boxen schallt. Drei-, vierminütige Häppchen Literatur zum Appetitmachen statt langer Traktate – so erhielt eine ganze Reihe von AutorInnen die Chance, ein dankbares Publikum zu erreichen.

Für die kompromißlosen Kleinverlage ist das überlebenswichtig. „Ich möchte nicht Bücher für irgendwen herstellen, sondern etwas Persönliches“, sagt etwa Gudrun Bartels, die via Kunstdruck Bartels Märchenmappen und liebevoll aufgemachte Lyrikbände in 500er-Auflagen unters Volk bringt. „Ich verdiene ein Viertel meines Geldes mit dem Verlag, ein Viertel mit Malerei und den Rest so. Also will ich 100-prozentig hinter meinem Buch stehen.“

Um Anspruch und Umsatz miteinander zu verquicken, braucht man sehr spezielle Nischen. Und selbst die sind noch keine Garantie. Warum gelingt Altaquito Publikationen mit ihren Erstübersetzungen von angloamerikanischer Beat-Lyrik nicht, was der Verlag Fandango leidlich mit „etwas anderen Reiseführen“ schafft? Die Wege der Leserschaft sind unergründlich.

Trotz ideologischer Gräben über das Wesen des Kleinverlages hatten aber jene, für die der Absatz keine Rolle spielt, genug Platz. Verlage wie „uräus“ aus Hale, die sich auf das Handpressen spezialisiert hatten, zeigten die andere Seite: das Buch als Einzelstück und Kunstwerk. Für Jörg Bernkopf von der „Hundspresse“, der mit Bleisatz und Holzschnitt Miniauflagen erstellt, sind die handgemachten Werke trotz der stolzen Preise Gegenentwürfe zur immer beliebiger werdenden Massenkultur. „Die Leute achten bei uns auf das Material, bestaunen unsere Bleilettern. Da fällt erst wieder auf, was Drucken bedeutet, was Papier wert ist, kurz: was ein Buch eigentlich ist.“

Lars Reppesgaard