Sabas zaubert bei den Blazers

Der kolossale litauische Center Arvidas Sabonis hat es endlich in die nordamerikanische Basketball-Liga NBA geschafft  ■ Aus Portland Andreas Lampert

Mit 30 Jahren hat er den Schritt schließlich doch gewagt. The big man finally arrived. Arvidas Sabonis, 221 Zentimeter großer Center von Real Madrid aus Litauen, wechselte diesen Sommer zu den Portland Trail Blazers in die NBA, um sich mit den besten Basketballern der Welt zu messen. Die Liga, in die er nach Aussagen der Fachleute längst gehört hätte.

Warum dieser Wechsel sich solange hinzögerte, hat mehrere Gründe: Bereits im Jahr 1985 war der Hüne von den Atlanta Hawks in der vierten „Draft“-Runde ausgewählt worden, doch die NBA erhob damals Einspruch, da Sabonis noch nicht das erforderliche Mindestalter von 21 Jahren erreicht hatte. Ein Jahr später sicherten sich die Portland Trail Blazers die Rechte an Sabonis und hatten mehr Glück, denn diesmal kam kein Veto von den NBA-Kommissaren. Doch in Regelmäßigkeit auftretende Verletzungen verhinderten stets die Zusammenkunft zwischen Sabonis und dem Basketballteam aus dem Nordwesten der USA. 1988 verbrachte er einen Sommer in Portland, ehe er es vorzog, seinen chronisch lädierten Fuß einer Operation zu unterziehen.

Doch jetzt ist „Sabas“, wie er von der lokalen Presse sogleich getauft wurde, endlich in Amerika. Ein 12-Millionen-Dollar-Vertrag über fünf Jahre soll ihm die Schmerzen in seinem rechten Knöchel („Damit lebe ich seit fünf Jahren“) und den Umzug von Spanien nach Oregon erleichtern. Mit seiner imposanten Statur soll er dem Angriffsspiel der Blazers zu neuer Durchschlagskraft verhelfen. Denn nach den Abgängen von Clyde Drexler, Jerome Kersey und Terry Porter in der letzten Saison befindet sich das Team im Neuaufbau und stützt sich bisher alleine auf die Fähigkeiten von Guard Rod Strickland und dem immer treffsichereren Forward Clifford Robinson. Zwei Spieler allein sind zuwenig für eine lange NBA-Saison. Sabonis soll von der Bank aus Beistand gewähren. „Ich hoffe, so 20 bis 24 Minuten pro Abend spielen zu können“, schätzt er selbst seine Möglichkeiten ein.

Sein Können muß Arvidas Sabonis von neuem unter Beweis stellen. Trotz seiner Erfahrung und seiner 30 Jahre wird er in dieser Saison als rookie (Frischling) eingestuft, weil es sein erstes Jahr in der NBA ist. Von seinem früheren Ruf, mit 25 Jahren der weltbeste Center gewesen zu sein, kann er sich heute nichts mehr kaufen. Von nun an zählen Punkte, Rebounds, Blocks und Assists. Besonders mit dem Tempo, für das die NBA ja bekannt ist, hatte Sabonis zunächst in erster Linie zu kämpfen. „Das Verteidigen ist hart, man muß schneller spielen und viel mehr springen. Es gibt überhaupt keine Zeit, während des Spiels zu verschnaufen“, gibt Sabonis, der den Basketball zuweilen wie einen Handball in seinen riesigen Händen hält, gerne zu.

Zudem muß sich jeder Europäer, ob gerechtfertigt oder nicht, in der NBA einer Maßregelung seitens der Schiedsrichter unterziehen. Sabonis' Landsmann Sarunas Marciulionis, der in seiner sechsten NBA-Saison mittlerweile bei den bisher überraschend starken Sacramento Kings spielt, weiß ein Lied davon zu singen: „So behandeln sie die Europäer. Du mußt nur einen der Superstars berühren, schon ist es ein Foul. Manchmal reicht es sogar, bloß dazustehen und die Hände in die Höhe zu halten, und es wird abgepfiffen.“ Das erste Aufeinandertreffen der beiden Litauer entschied Marciulionis für sich (Kings–Blazers 105:102), Sabonis mußte nach sechs Fouls in nur 16 Minuten (fünf davon in der Offensive) auf der Bank Platz nehmen. Portlands Coach P. J. Carlesimo: „Arvidas muß sich eine Menge empirisches Wissen aneignen.“ Daß sich die erste Garde der NBA-Schiedsrichter derzeit im Streik befindet und durch umstrittene Referees aus der kanadischen Liga und Collegekreisen ersetzt wird, erleichtert den Lernprozeß für Sabonis nicht gerade.

Auch wenn sich die ersten Wochen in der neuen Umgebung für den litauischen Riesen zuweilen etwas schwierig gestalten (in seiner neuen Villa ruinierte ein Leck im Whirlpool die Küche, er selbst rasselte im Computertest durch die Führerscheinzulassung), offenbarte Sabonis auf dem Parkett schon so manches Funkeln aus seiner Zauberkiste. Besonders die älteren NBA-Spieler, gegen die er in der neuen Saison spielte, zeigen sich beeindruckt von seiner Klasse, trotz der etwas ungelenk anmutenden Abwehrarbeit. Karl „the mailman“ Malone bewunderte Sabonis' Ballfertigkeit, sein Auge und seine für Centerspieler eher ungewöhnliche Fähigkeit, Vorlagen zu geben. Der einst so mürrische Charles Barkley ließ sich nach dem Spiel gegen die Blazers sogar zu folgendem Kompliment hinreißen: „Ich liebe seine Art zu spielen. Immer schon. Er war der reine Wahnsinn, als er jünger war. Ich wünschte, er wäre viel früher hierhergekommen.“

Letzte Woche überzeugte Sabonis auch erstmals die gesamte Blazers-Anhängerschaft. Beim 113:94 gegen die Los Angeles Clippers hatte er keinen einzigen Fehlwurf. Seine Bilanz betrug 20 Punkte, drei Rebounds, fünf Assists und ein Block in 22 Minuten; 14 Punkte allein aus dem zweiten Viertel, als das Spiel sehr ausgeglichen war und Sabonis die gesamte Mannschaft auf seinen Schultern trug. Besonders die Assists sorgten für Stimmung bei den Zuschauern. Clippers-Coach Bill Fitch konnte anschließend nur resgnierend feststellen: „Sabonis gibt Vorlagen wie die Besten der Liga. Er hat zwar nur einen gesunden Fuß, aber ist immer noch ein großartiger Spieler. Er wirkt wie ein 2,20 Meter großer Point Guard.“

Sabonis selbst weist derlei Komplimente bisher artig zurück: „Die Saison ist noch jung. Ich brauche Zeit.“ Einen Tag später beim Spiel gegen die Los Angeles Lakers wirkte er müde und unkonzentriert. Nur zwei Punkte in 14 Minuten. Die Blazers gewannen trotzdem (109:108), deshalb nahm ihm diese Auszeit niemand übel. Mit 30 Jahren und einem kaputten Fuß benötigt der Mensch einfach längere Erholungsphasen.