Tête-à-tête zwischen Damaskus und Jerusalem

■ Nach der Ermordung Rabins rückt ein syrisch-israelisches Abkommen näher

Tel Aviv (taz) – Zärtliche Töne zwischen Damaskus und Jerusalem: Als einen „Mann des Friedens“ bezeichnete unlängst der syrische Außenminister Faruk asch- Schara den neuen israelischen Ministerpräsidenten Schimon Peres. Und dieser antwortete indirekt, ein Frieden zwischen Israel und Syrien werde bald „so greifbar sein wie der Golan“. Der Höhenzug war 1967 von israelischen Truppen besetzt worden ist seit 1981 durch ein „Golan-Gesetz“ de facto annektiert. Einiges deutet darauf hin, daß sich daran nun, nach der Ermordung des israelischen Ministerpräsidenten Jitzhak Rabin, etwas ändern könnte.

Mit wiederholten Unterbrechungen treffen sich seit der Madrider Auftaktkonferenz zum Nahost-Friedensprozeß vor vier Jahren syrische und israelische Unterhändler in Washington. Die letzte Sitzung fand Ende Juni unter Beteiligung der beiden Generalstabschefs Hikmet Schihabi (Syrien) und Amnon Schahak (Israel) statt. Danach waren von beiden Seiten nur noch Anschuldigungen zu hören, der jeweils andere blockiere die Verhandlungen. Rabin erklärte kurz vor seinem Tod, an einer Wiederaufnahme der Verhandlungen vor den nächsten Knessetwahlen im Herbst 1996 sei er nicht interessiert.

In dieser Frage hatte Rabin ernste Meinungsverschiedenheiten mit seinem damaligen Außenminister Peres, der jedoch so gut wie keinen Einfluß auf die Verhandlungen mit Syrien hatte. Rabin – Ministerpräsident und Verteidigungsminister in einer Person – hielt die Karten allein in der Hand und zog allenfalls seine Generäle und den israelischen Botschafter in Washington zu Rate. Details der Verhandlungen blieben dem Außenminister angeblich verborgen.

Der syrische Präsident Hafis al- Assad war seinerseits davon überzeugt, daß es mit Rabin kein Weiterkommen gebe. Nach dem Mord an Rabin hat sich die Lage grundlegend geändert. Trotz Vorbehalten gegen die Ernennung des ehemaligen Generalstabschefs Ehud Barak zum israelischen Außenminister hieß man in Damaskus den Regierungswechsel willkommen. US-Präsident Bill Clinton nutzte bereits seinen Kondolenzbesuch zwei Tage nach der Ermordung Rabins, um Peres dazu zu drängen, die Verhandlungen mit Syrien wieder aufzunehmen. Unter Vermittlung der USA sei ein Durchbruch noch vor den nächsten israelischen und US- amerikanischen Wahlen im Herbst 1996 möglich, so Clinton.

Ein erster Fortschritt ist bereits registriert: Angeblich um die gerade in Barcelona stattfindende Mittelmeerkonferenz vorzubereiten, traf sich in den letzten 14 Tagen Peres mit einem hochrangigen Beamten des syrischen Außenministeriums. Über Ort, Zeitpunkt und Inhalt des Gesprächs schweigen sich beide Seiten aus, jedoch ist allein ein Treffen auf solch hoher Ebene ein Novum.

So ermutigt, erklärte Peres, daß er für seinen am 11. Dezember vorgesehenen Besuch in Washington eine Reihe neuer Vorschläge für die Verhandlungen mit Syrien vorbereite. Dabei handele es sich um einen „ganz anderen Zugang“ zu allen noch offenstehenden Fragen: den territorialen Preis, den Israel für ein Friedensabkommen mit Syrien zu zahlen bereit ist, das Problem der Zwischenphasen, die bis zum Friedensschluß erforderlich sind, und die Art der Sicherheitsvorkehrungen auf dem Golan. Meinungsverschiedenheiten gerade zu diesen Fragen hatten zum Zusammenbruch der letzten Verhandlungsrunde geführt. Vor allem die von Israel verlangten elektronischen Warnstationen auf dem Golan wurden von den Syrern strikt abgelehnt.

Rabin hatte der israelischen Bevölkerung versprochen, vor einem endgültigen Abkommen mit Syrien in einer Volksabstimmung darüber entscheiden zu lassen. Peres ist geneigt, darauf zu verzichten und statt dessen die Verhandlungen zu beschleunigen. Mehrere Teams von Experten sollen parallel über alle wichtigen Aspekte wie neue Grenzziehung, Zwischenlösungen und Normalisierungsphasen, Sicherheitsmaßnahmen und so weiter verhandeln. Im Gegensatz zu vielen israelischen Generälen glaubt Peres nicht an die strategische Unverzichtbarkeit des Golan. Im Zeitalter von Langstreckenraketen habe sich der militärische Wert des Hochplateaus weitgehend erledigt. Peres hält den Golan daher vor allem für ein wertvolles politisches Tauschobjekt. Für dessen Rückgabe an Syrien erwartet er neben der vollen Normalisierung der Beziehungen zwischen beiden Staaten „auch die Garantie, daß die gesamte arabische Welt den Kriegszustand mit Israel definitiv beendet“. Aus Peres' Sicht soll ein Abkommen mit Syrien und dem Libanon nicht nur „noch einen Frieden“ mit Nachbarn bedeuten, sondern die eigentliche Krönung des Nahost- Friedensprozesses. Amos Wollin