Bußgelder vom Musterknaben

■ Theo Waigel stellte in Brüssel seinen Stabilitätspakt für die Währungsunion den Ministerkollegen der EU vor

Berlin (taz) – Finanzminister Theo Waigel wählte für die Vorstellung seines Stabilitätspakts einen günstigen Zeitpunkt: Während seine 14 EU-Kollegen sich ein gutes Mittagsmahl schmecken ließen, servierte er seine Vorschläge für die Zeit nach der europäischen Währungsumstellung 1999. Bisher sind nämlich nur die Kriterien festgelegt, die die Teilnehmerstaaten ein Jahr vor Einführung der Eurowährung erfüllen müssen.

Harte Strafen sollen einem Land nach Waigels Plan drohen, wenn es zu viel Schulden macht. Als Obergrenze fürs Haushaltsdefizit auch in wirtschaftlich schweren Zeiten schlägt er drei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) vor. In Normalzeiten will er sogar nur ein Prozent zulassen. Verfehlt ein Land das Ziel, soll es einen Betrag von mindestens 0,25 Prozent des BIP auf ein Sperrkonto legen. Wenn sich an der Situation auch zwei Jahre später nichts geändert hat, wird das Geld von der EU als Buße einkassiert. Der deutsche Finanzminister will auf diese Weise verhindern, daß EU-Länder lediglich zum Zeitpunkt der grundsätzlichen Teilnahmeentscheidung einen soliden Haushalt vorweisen und danach die gemeinsame Währung weich machen. Mit Ausnahme der Südeuropäer signalisierten die meisten Länder schon im Vorfeld des gestrigen Treffens in Brüssel „im Prinzip“ Zustimmung. Über die Einzelheiten aber war man sich bis zum Nachmittagskaffee noch nicht einig geworden.

Weiter auf der Tagesordnung stand die Frage, wann festgestellt werden soll, welche Länder die Kriterien für die EU-Währungsunion ab 1999 erfüllen. Einig sind sich die EU-Finanzminister, daß die Wirtschaftsdaten von 1997 zur Grundlage genommen werden sollen. Die aber können erst im Frühjahr 1998 exakt berechnet sein. Andererseits brauchen die Zentralbanken etwa ein Jahr Vorbereitungszeit. Und auch wahltaktische Gründe spielen eine Rolle: Während Deutschland für den Mai als Stichtag plädiert, will die französische Regierung die Entscheidung vor den Parlamentswahlen im März unter Dach und Fach haben. Man einigte sich gestern auf „so früh wie möglich“.

Klar scheint, daß bei einer strengen Einhaltung der Maastricht- Kriterien nur sehr wenige Länder teilnehmen können. Zwar kämpft die französische Regierung gerade unter massiven Protest der Bevölkerung für eine Haushaltskonsolidierung. Aber daß bis 1997 tatsächlich 70 Milliarden Mark eingespart werden können, bezweifeln viele. Und auch wenn Theo Waigel stets versichert, daß Deutschland alle Eintrittsbedingungen erfüllen wird, genügt die deutsche Staatsbilanz möglicherweise schon im nächsten Jahr nicht mehr den Anforderungen: Schließlich beruht der Haushalt auf Einnahmeerwartungen aus Privatisierungen. Ob die aber zu den von Waigel erwarteten Einnahmen führen, ist fraglich. Ohne Frankreich und Deutschland aber ist eine EU- Währung undenkbar.

Zur Zeit erfüllen nur Deutschland und Luxemburg die Konvergenzkriterien. Nach Annahme des EU-Kommission könnten 1997 auch Frankreich und Großbritannien dabeisein. Und wenn die Maastrichter Auflage, daß die Staatsschuld 60 Prozent des Bruttoinlandprodukts nicht überschreiten darf, nicht so ernst genommen wird, sind sieben weiter Länder mit von der Partie.

Wenn 1998 tatsächlich einige Teilnehmerländer festgelegt werden, beginnen goldene Zeiten für Spekulanten. Es ist anzunehmen, daß viele Leute ihre D-Mark-Vermögen, Aktienfonds und Rentenpapiere aus Angst vor einer weichen Euro-Währung abstoßen und in Schweizer Franken oder US- Dollar anlegen. Teilnehmerstaaten mit hohen Renditen ziehen außerdem Geld an, weil die Spekulanten auf Kursgewinne am Tag der Angleichung hoffen aje