„Dagobert“ vor Gericht

■ Revision: Staatsanwalt will zehn Jahre für den Kaufhauserpresser Arno Funke

„Auch wenn es jemals den Mythos ,Dagobert‘ gegeben haben soll: Nicht er stand vor Gericht, sondern Arno Funke, der zu einer nicht unerheblichen Strafe verurteilt werden wird.“ Das sagte Staatsanwalt Thomas Schwarz wenige Tage bevor der Kaufhauserpresser „Dagobert“, durch sein zweijähriges Katz-und-Mausspiel mit der Polizei weltweit zu unfreiwilligem Ruhm gelangt, verurteilt wurde. Am 14. März, seinem 45. Geburtstag, dem Tag, an dem auch Albert Einstein das Licht erblickte, war das Tüftlergenie zu sieben Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden: wegen sechs Bombenanschlägen sowie der Erpressung des Berliner Kaufhaus des Westens und des Karstadt-Konzerns um 1,4 Millionen Mark. Der junge aufstrebende Staatsanwalt Schwarz hatte zehneinhalb Jahre gefordert und legte Berufung ein. Er fand das Urteil viel zu milde, es bestehe die Gefahr der Nachahmnung.

Morgen nun, ein dreiviertel Jahr nach dem Urteil, hat der Bundesgerichtshof (BGH) über das Urteil zu entscheiden. Der 5. in Berlin ansässige Strafsenat hat auch über die Revision von Funkes Anwalt zu befinden. Der ehemalige Honecker-Anwalt Wolfgang Ziegler hatte eine Strafe im Bereich von fünf Jahren gefordert. Schließlich habe Funke ein umfangreiches Geständnis abgelegt. Die Kammer hatte ihr Strafmaß mit der „verminderten Schuldfähigkeit“ Funkes begründet. Ärztliche Gutachter hatten ihm eine Hirnschädigung bescheinigt.

Ziegler will sich nicht zu der bevorstehenden Verhandlung äußern. Die Lage sei zu „sensibel“, als daß er „größere oder kleinere Erklärungen“ abgeben wolle. Anfang des Jahres hatte Ziegler beklagt, daß Funke durch die große öffentliche Aufmerksamkeit in eine Rolle geraten sei, die er nicht gesucht habe. Funke, der mittlerweile seit April 1994 in einer Einzelzelle mit dreiundzwanzig Stunden Einschluß sitzt, leidet unter starken Depressionen und hat einmal versucht, sich umzubringen. Auch sein schlechter Gesundheitszustand habe sich nicht wesentlich geändert, so Ziegler.

Ziegler rechnet damit, daß der BGH bereits morgen zu einem Urteil kommt. Es sei aber auch nicht auszuschließen, daß das Urteil aufgehoben werde. Denn in der Revision gehe es darum, daß das Gericht verschiedene Taten „Dagoberts“ zusammengefaßt hatte und so zu einem gemilderten Strafmaß gekommen war. Barbara Bollwahn