: Aussortierung geht weiter Studierende weiter aussortiert ttt
■ Innensenator will von seiner Anweisung, ausländische StudentInnen über 23 Jahren nicht zu dulden, nicht abrücken. Ausländerbehörde soll entscheiden uuu
Innensenator Ralf Borttscheller bleibt dabei: Die Ausländerbehörde soll entscheiden, wer in Bremen studieren darf. Allen Protesten selbst aus der eigenen Partei zum Trotz zieht der Innensenator die zum Wintersemester gültig gewordene Regelung nicht zurück, welche ausländischen StudienanwärterInnen ab 23 Jahren die Aufenthaltserlaubnis in Bremen verweigert (s.taz vom 28.11. und heutige Ausgabe S.4).
Die in einer internen Absprache zwischen Vertretern des Innenressorts und der Ausländerbehörde getroffene Vereinbarung betrifft alle AusländerInnen, die nicht aus den EU-Ländern stammen. Nach Angaben der Universität ist diese Regelung bundesweit, ja sogar auf internationaler Ebene einmalig. Ihr Zustandekommen hatte der ehemalige Innensenator van Nispen, in dessen Amtszeit die Verfügung fällt, der taz gegenüber gerügt. Er wisse davon nichts, verantwortlich seien offensichtlich Mitarbeiter seines ehemaligen Ressorts, denen er „eigenmächtiges Handeln und Illoyalität“ vorwarf.
Diesen Vorwurf weist das Innenressort allerdings entschieden zurück. Es handele sich gewiß nicht „um den subalterner Versuch, dem ehemaligen Innensenator eine Entscheidung unterzujubeln“, versichert Staatsrat Hans-Georg von Bock und Polach, „und Illoyalität war schon gar nicht im Spiele“. Vielmehr gelte es, den Beamten der Ausländerbehörde eine Hilfe an die Hand zu geben, um die „sehr abstrakten Normen des Ausländerrechtes“ in die Praxis umsetzen zu können.
„Die 23-Jahre-Regelung war festgelegt worden, um einen Mißbrauch des Studiums zur Erlangung eines dauerhaften Aufenthaltsrechtes zu verhindern“, heißt es in der offiziellen Begründung von Innensenator Ralf Borttscheller. Daruf verweist auch sein Staatsrat, kann indes ebensowenig wie andere Behördensprecher Zahlen nennen, die den Mißbrauch belegen. Tatsächlich, räumt er ein, erfasse nicht einmal die Ausländerbehörde gesondert die Zahlen ausländischer StudentInnen.
Von Bock zweifelt trotzdem nicht daran, daß es einen solchen Mißbrauch gibt, schließlich sei der bei Asylsuchenden auch in „abertausenden von Fällen“ zu beobachten. Es könne aber nicht Ziel der Politik sein, dafür teure Studienplätze vorzuhalten. Von Bock sieht in der 23-Jahre-Regelung ein mögliches Instrument, mit dem verhindert werden könne, „daß die vielen, die nach Deutschland kommen, ihre rechtlichen Möglichkeiten nicht mißbrauchen.“
Ob die Regelung differenziert genug ist, bezweifelt er allerdings selbst. „Eine gründliche Nachbearbeitung wäre besser gewesen“, räumt er ein. Tatsächlich besteht die Regelung aus nicht mehr als einem Aktenvermerk, protokollarisch bestätigt am 22. Mai. Darin erklären die Teilnehmer des Gespräches zwischen Innenresort und Ausländerbehörde einvernehmlich, daß für Ausländerinnen „die Altersgrenze bei Beginn des Studiums auf 23 Jahre festgelegt“ werden soll.
Das Ergebnis des Gespräches hätte eigentlich, sagt Stadtamtsleiter Hans-Jörg Wilkens, der Umsetzung in Form eines Erlasses bedurft. Das aber ist nie geschehen. Die dem Stadtamt unterstellte Ausländerbehörde sah sich somit irgendwann allein gelassen und fragte beim Innenressort an, ob es gemäß dem Aktenvermerk handeln solle. Dies wurde bejaht.
Daß der ehemalige Innensenator davon nichts wußte, wundert Wilkens nicht. Das werde auf der Ebene der Abteilungsleiter geregelt, „das ist die übliche Form der Zusammenarbeit auf der Fachebene“. Auch der Stadtamtsleiter hat erst vor kurzem von der neuen Praxis der Ausländerbehörde erfahren und hält sie nicht für besonders überzeugend.
„Keine optimal umgesetzte Verwaltungsrichtlinie“, kommentiert er, aber sie sei „im guten Sinne verabredet“ gewesen. Man dürfe das „nicht als standortschädigendes Verfahren für Bremen“ interpretieren, das aus „Bösartigekeit oder als vorsätzliche Restriktion gegen andere Länder“ erfunden wurde. Nicht der Ansatz sei zu kritiseren, sondern die Umsetzung. Es sei zu bedauern, daß die Regelung in so pauschaler Form und ohne Differenzierungen formuliert wurde, kritisiert er. In Zukunft werden solche Anweisungen über seinen Tisch gehen.
Wie die Fachreferenten darauf kamen, die Altersgrenze just bei 23 Jahren festzulegen, ist Wilkens ebenso unklar wie dem Staatsrat. Von Bock ist sogar fremd, daß Studierende aus Nicht-Eu-Ländern zwei Jahre in ihrem Heimatland erfolgreich studiert haben müssen, um überhaupt an deutschen Universitäten zugelassen zu werden. Außerdem wird der Nachweis über einen Deutschkurs verlangt.
Gründe genug, daß viele StudentInnen älter als 23 Jahre sind, bevor sie nach Deutschland kommen. Damit darf sich die Ausländerbehörde in ihren Einzelfallprüfungen herumschlagen. Nach welchen Kriterien die Beamten verfahren solllen, ist unklar. Wilkens hofft, in Zusammenarbeit mit der Universität eine vernünftige Regelung zu finden.
Vertreter des Inneressorts und der Ausländerbehörde treffen sich am Donnerstag zu einem neuerlichen Gespräch. Die Universität ist nicht eingeladen. Dora Hartmann
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