Koalition streicht Hemelinger Tunnel

■ Große Empörung im Stadtteil / Alternativ-Trasse umstritten / Protest für Straßenbahnlinie 4

Helle Empörung hat gestern in Hemelingen die Ankündigung der Großen Koalition ausgelöst, nun doch auf den Bau des Hemelinger Tunnels zu verzichten. Denn an die als Ersatz ins Spiel gebrachte Anbindung des Sebaldsbrücker Mercedes-Werks über den Bau der „Stackkamp-Trasse“ glaubt vor Ort niemand. Schließlich war diese vierspurige Verbindung zwischen Sebaldsbrücker Heerstraße und der Autobahnabfahrt Hemelingen schon in der vorletzten Legislaturperiode von Bürgermeister Klaus Wedemeier ins Spiel gebracht, geprüft und dann als nicht sinnvoll wieder zu den Akten gelegt worden.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Ronald-Mike Neumeyer hatte gestern erstmals offiziell den Abschied vom Hemelinger Tunnel gefordert. Umgehend schloß sich auch sein SPD-Kollege Christian Weber an (vgl. „Nachgefragt“, S. 22). Beide Parteien hatten in ihren Wahlprogrammen und auch noch im Koalitionsvertrag versprochen, endlich für die seit Ende der 70er Jahre versprochene Entlastung der Wohnstraßen des Bremer Ostens vom Schwerlastverkehr zu sorgen.

„Eine Verarschung aller Hemelinger ist das“, kommentierte gestern der dortige Ortsamtsleiter, Hans-Dieter Rissland, die neue Lage. Die als Alternative zum Tunnel vorgeschlagene Stackkamp-Trasse sei schon vor sieben Jahren zu recht beerdigt worden, da sie „infrastrukturell große Nachteile“ habe. So müßten ihr die Bezirkssportanlage, ein Bauernhof, eine Schule, ein Freizeitheim, ein Kindergarten sowie zahlreiche Wohnhäuser und der gerade erst errichtete Neubau der Firma „Europa-Karton“ weichen. Außerdem würden mit dem Verzicht auf den Hemelinger Tunnel wieder „Jahre an Planungsvorlauf“ verloren gehen. Rissland: „Man kann doch nicht 15 Jahre lang politische Zusagen machen und Hemelingen jetzt wieder im Regen stehen lassen.“

Für die Planungen des Hemelinger Tunnels sind bereits 11,5 Millionen Mark ausgegeben worden, 20 Millionen Mark stehen schon zum Abruf bereit. „Weitere Verpflichtungen gehen wir jetzt nicht mehr ein“, versicherte der Sprecher von Bausenator Bernt Schulte, Hartmut Spieseke, gestern. Der Abschied vom Hemelinger Tunnel sei zwar „nicht die Idee des Bausenators“ gewesen, wohl aber mit ihm abgestimmt worden. Spieseke: „Bisher ist die Stackkamp-Trasse noch nicht neu geprüft worden. Aber eine grobe Kostenannahme hat 400 Millionen Mark geringere Kosten als beim Bau des Tunnels ergeben.“

Diese Rechnung bezweifelte gestern der Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Bremen-Ost, Wolfgang Grotheer. Sie setze nämlich Bau und Finanzierung eines neuen Autobahnanschlusses in Hemelingen durch den Bund voraus, doch „diese Möglichkeit scheidet eindeutig aus“, so Grotheer. Folglich zeichne sich jetzt ein Bruch der Wahlversprechen von SPD und CDU gegenüber der Hemelinger Bevölkerung ab. Auch der BUND lehnte die Stackkamp-Trasse gestern „als wesentlich unverträglicher für Natur, Landschaft und die Anwohner Hemelingens“ ab.

Empörung hat gestern auch die Forderung von CDU-Fraktionschef Neumeyer ausgelöst, die Koalition solle nicht nur auf den Hemelinger Tunnel, sondern gleichzeitig auch auf den Neubau der Straßenbahn-Linie 4 verzichten. Bremen würde damit einen Zuschuß des Bundes von fast 100 Millionen Mark verschenken, kritisierten der BUND und der SPD-Unterbezirk Bremen-Ost.

„Die Verkehrspolitik ist doch kein Viehmarkt“, kommentierten die grünen Abgeordneten Dieter Mützelburg und Ralf Fücks, „auf dem nach dem Motto ,schlachte ich meine Heilige Kuh, opferst Du Dein Lieblingspferd' gehandelt wird.“ Gefragt sei in Hemelingen weder ein Tunnel noch die „Stacckamp-Trasse“, sondern ein „modernes Verkehrsmanagement“ für den Pendler- und Güterverkehr im Bremer Osten mit einer „Verlagerung auf Bus, Bahn und Fahrgemeinschaften“.

Die AfB sah gestern sogar schon die „Halbwertzeit“ der Großen Koalition gekommen. „Seit Abschluß des Koalitionsvertrags ist noch kein halbes Jahr vergangen, und schon werden im Abzählreim Projekte gestrichen“, erklärte der wirtschaftspolitische Sprecher der AfB, Lutz Peper. Es sei „ein Stück aus dem Tollhaus, wie Hemelinger Bürger und Betriebe seit 16 Jahren laufend neue Planungen vorgestellt bekommen“. Ase