Sanssouci: Nachschlag
■ Wolfgang Bauer auf hochdeutsch im Theater im Schokoladen
Was macht man, wenn man seinem Besuch schon nach drei Sätzen nichts mehr mitzuteilen hat? Man schaltet die Stereoanlage ein. Oder geht ins Kino. Dort tobt das Leben schließlich überlebensgroß und knallbunt. Echt geil, die Idee. Doch zuvor muß man sich auf einen Film einigen. Aus zwei gelangweilten Männern sind inzwischen drei geworden, und der letzte Superfick von gestern nacht ist auch schon durchgekaut. Echt macho- cool, versteht sich. Um Western, OmU-Porno oder Mafiafilm dreht sich mittlerweile das Gespräch. Eine Frau, die Freundin von einem der drei, ist eingetroffen. Auch sie will ins Kino.
Schon Mitte der Siebziger war das zivilisierte Leben ätzend öde. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Ebensowenig an den Mitteln, die etwas Abwechslung ins Sinnvakuum bringen: ficken, saufen und sich streiten. Wolfgang Bauer beschreibt das in seinen Dramen bis zum Exzeß. Dabei unterschlägt er dem Publikum oft, was es erwartet: Äktschn und eine richtige Story. Irgendwann ist Anfang, und irgendwann ist Schluß. Den antibürgerlichen Aufbrechern gefiel die Fopperei vor einem Vierteljahrhundert. Mittlerweile ist es um den Österreicher ruhig geworden.
Matthias Merkle und sein bewährtes SchauspielerInnen- Team vom Theater im Schokoladen haben den Bauer exhumiert. Aus „Film und Frau“ ist „Immer härter, immer jünger“ geworden, die hochdeutsche Nachdichtung des Dialektdramas. Außer um die brutalisierende Langeweile geht es noch um die Überlagerung der Realität durch die Kunstwelt. Das Leben als Film, da hat das Tempo in den letzten zwanzig Jahren kräftig angezogen. Deshalb macht Merkle modernes Videogucken. Im Schnelldurchlauf. Zwischendurch zappt der Regisseur auf Play, und es gibt eine halbe Szene zu sehen. Dann saust seine alkoholisierte Außenklo-Gesellschaft ziemlich prollig herum, was in merkwürdigem Gegensatz zu den teils recht intellektuellen Filmen steht, über die sie reden. Und irgendwann spannt der eine Freund dem anderen die Braut aus. Das kleine bißchen Story. Life made in Hollywood, da gibt es klare Lösungen, und sogar ein Happy-End kann noch drangeschnitten werden. Deshalb hält der Schnelldurchlauf auch bei nachgespielten Filmszenen an. Zum Glück deuteln die Schokoleute nichts allzu Profundes in ihr Minidramolett. So gibt es eine trashig-witzige Stunde, mit Schwung gespielt und mit Detailliebe inszeniert. Im Zeitraffer. Gerd Hartmann
„Immer härter, immer jünger“, bis 10.12., Do.–So. (außer
30.11.), 21 Uhr, Theater im Schokoladen, Ackerstr. 169/170, Mitte
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