Krimineller Aufbau Ost

Baubeamte wanderten von West nach Ost und nahmen ihre Lieblingsfirmen mit. Schmiergeldzahlungen und zig Millionen Schaden  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Hannover (taz) – Bei der Aufbauhilfe für sein Partnerland Sachsen-Anhalt hat Niedersachsen auch die Korruption von West noch Ost exportiert. Zwölf Staatsanwälte, 200 Polizeibeamte und 15 Steuerfahnder haben gestern in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen Diensträume von vier Staatshochbauämtern und 33 weitere Büros und Wohnungen durchsucht. Durchleuchten wollten die Fahnder eine spezielle Art von Hilfe, die Beamte dreier niedersächsischer Staatshochbauämter beim Aufbau des sachsen-anhaltinischen Staatshochbauamtes in Schönebeck geleistet haben sollen.

Ein halbes Dutzend der Bauamtsbediensteten steht bisher im Verdacht, von Bauunternehmen Schmiergelder in Höhe von mehreren hunderttausend Mark kassiert zu haben. In Sachsen-Anhalt seien dadurch bei Bauvorhaben des Bundes und des Landes wahrscheinlich Schäden in mehrstelliger Millionenhöhe entstanden, teilte gestern ein Sprecher der Kriminalfachinspektion „Organisierte Kriminalität“ mit, die vom niedersächsischen Hameln aus die Ermittlungen führt.

Die des Betruge, der Untreue und der Bestechlichkeit verdächtigten Beamten waren allesamt im Rahmen der Verwaltungshilfe für den Osten aus Niedersachsen nach Sachsen-Anhalt abgeordnet worden. Zum Teil seien sie später per Sprungbeförderung endgültig in verantwortliche Positionen der sachsen-anhaltinischen Staatshochbauverwaltungen gelangt, erläuterte der Polizeisprecher.

Bei den Bauunternehmen, die die Schmiergelder gezahlt haben sollen, handele es sich ausschließlich um im Westen ansässige Firmen, einige mit Tochterunternehmen in den neuen Ländern. Es sei davon auszugehen, daß die Beamten von den betreffenden Firmen auch schon vor der Wende Schmiergeldzahlungen erhalten hätten. Mit der Wiederaufbauhilfe hätten die hier schon seit langem praktizierten kriminellen Verhaltensweisen die Grenze gewechselt und seien dann im Zuge des Gründerbooms in Sachsen-Anhalt erheblich ausgeweitet worden.

Im einzelnen wird den Beamten vorgeworfen, zugunsten der Bauunternehmen bei Aufträgen Vergaberichtlinien nicht beachtet zu haben. Die Firmen sollen dann später auch Bauleistungen in Rechnung gestellt haben, die gar nicht erbracht wurden, Bauleistungen mit Hilfe der Beamten mehrfach abgerechnet und durch Preisabsprachen den Wettbewerb ausgeschaltet haben.