„Rückkehr so früh wie möglich, ohne Zwang“

■ Der EU-Administrator für die bosnische Stadt Mostar, Hans Koschnick, diskutiert die Möglichkeiten für die baldige Rückführung vertriebener und geflohener BosnierInnen

taz: Herr Koschnick, der Bundeskanzler hat erklärt, er sei an einer raschen Rückführung der bosnischen Flüchtlinge interessiert.

Koschnick: Alle, die an eine schnelle Rückführung denken, müssen wissen, daß die Voraussetzungen dafür geschaffen werden müssen. Die Häuser müssen wiederhergestellt sein. Die Möglichkeit muß gegeben sein, daß man in der Region wieder leben kann, aus der man verjagt wurde. Das wird nicht ganz einfach sein, denn die Menschen sind traumatisch belastet. Schließlich muß eine Grundvoraussetzung erfüllt werden, die in Dayton konzipiert wurde: Ein internationaler Fonds für Ausgleichsmaßnahmen.

Es ist bereits ein internationaler Fonds für den Wiederaufbau Bosnien-Herzegowinas in Höhe von fünf Milliarden Mark geplant. Wie hoch wird der Ausgleichsfonds dotiert sein?

Über den Kompensationsfonds und seine Größe habe ich noch keine klare Vorstellung gehört. Ich kenne nur das Prinzip. Als erstes, das sagt auch UNHCR, sollen aus dem Fonds die Leute entschädigt werden, die etwas verloren haben und es nicht wiederbekommen können. Ich frage mich, wie das in manchen Fällen organisiert werden soll. Schauen Sie sich doch mal die Kraijina an: Erst wurden die Kroaten verjagt, dann wurden deren Häuser verbrannt, dann wurden die Serben verjagt, dann wurden die serbischen Häuser verbrannt, und nun sollen die Steuerzahler Europas dafür aufkommen, die Häuser wieder aufzubauen. Ich denke nicht, daß wir dafür da sind, für Pyromanie zu zahlen. Da aber, wo durch Kriegseinwirkung Dinge zerstört wurden, wo Leute durch Vertreibung etwas verloren haben, muß man dafür sorgen, daß Ausgleich geschaffen wird.

Besteht für die Flüchtlinge in Deutschland überhaupt die Möglichkeit, in ihre Heimatdörfer oder -regionen zurückzukehren?

Natürlich. Die Menschen aus Mostar, die in Bremen leben, können nach Mostar zurückkehren. Eine andere Frage ist allerdings, ob sie in ihre Wohnungen zurückkehren können. Wenn die Wohnungen von Flüchtlingen aus anderen Teilen Bosnien-Herzegowinas belegt sind oder im Krieg zerstört wurden, muß man dafür sorgen, daß die Rückkehrenden ein Dach über dem Kopf bekommen. Viel schwieriger ist es dort, wo es ethnische Säuberungen gegeben hat. Das Prinzip, das jeder ein Recht hat, in seine Heimat zurückkehren zu können, ist richtig. Ob es aber jeder nutzen kann, ist die Frage. Es werden viele sein, die nicht zurückkehren können oder wollen, die aber womöglich mit ihren Landsleuten woanders in gleicher Kulturgemeinschaft leben wollen. Gerade für diejenigen wurde der Ausgleichsfonds geschaffen.

Was sollte mit den Flüchtlingen in Deutschland passieren, die nicht mehr zurückkehren wollen?

Man muß ihnen vernünftige Angebote machen, so daß die in Gebieten, in denen sie sich zu Hause fühlen, eine neue Heimat finden können. Man darf keine Entwurzelung betreiben, sondern muß die Menschen zu ihren Wurzeln zurückführen. Dann wird es immer noch eine ganze Reihe von Flüchtlingen geben, die nicht zurückkehren wollen. Zum Beispiel Menschen, die in Mischehen leben. Mischehen sind im Augenblick sehr unpopulär sowohl auf kroatischer wie auf serbischer und auf muslimischer Seite. Für diese Menschen muß man nach einer neuen Existenz im Aufnahmeland suchen.

Eine Empfehlung an die deutschen Innenminister, das Bleiberecht großzügig zu handhaben?

Ja.

Wann kann frühestens mit der Rückkehr der Flüchtlinge aus Deutschland gerechnet werden?

Die ersten werden im kommenden Frühjahr zurückkehren können. Für die, bei denen die Fluchtursachen bei einer Rückkehr keine Probleme mit sich bringen, wird es leichter sein als für die, die mit Waffengewalt vertrieben wurden.

Rückkehr also nur nach Einzelfallprüfung?

Auf jeden Fall. Rückkehr kann immer nur Einzelfall sein. Wir können doch nicht abschieben. Ich meine: Rückkehr so früh wie möglich, aber ohne Zwang.

Was sagt die bosnische Regierung dazu?

Die wollen ihre Flüchtlinge wiederhaben, weil sie ihre Experten brauchen. Ein Großteil der Flüchtlinge ist gut ausgebildet. Die bosnische Regierung wird möglicherweise mit der deutschen Regierung ein Abkommen über die Rückführung aller Flüchtlinge schließen.

Sie empfehlen der Bundesregierung, dem Begehren der bosnischen Regierung nicht zu entsprechen?

Ich würde der Bundesregierung empfehlen, Lösungen zu suchen, die die individualen Rechte des Menschen sowohl in Bosnien als auch in Deutschland wahren. Sie soll den in Bosnien Regierenden deutlich machen: Wir helfen gerne bei der Rückführung, aber wir wollen es nicht mit Gewalt machen. Interview: Dieter Rulff