Das „Küchenkabinett“ und grüne Illoyalität

■ Untersuchungsausschuß um Blaul-Affäre bescheinigt ehemaligem Staatssekretär Vertrauensbruch. Lebensgefährte Blauls hätte als ihr Büroleiter abgesetzt werden müssen

Wiesbaden (taz) – Gab es im Hause der hessischen Superministerin Iris Blaul (Bündnisgrüne) ein sogenanntes „Küchenkabinett“ oder nicht? An dieser Frage scheiden sich die Geister im Untersuchungsausschuß des hessischen Landtages. Dem Ausschuß oblag es in den letzten Wochen, die Affäre um Blaul, ihren Büroleiter und Lebensgefährten Mayer und ihren ehemaligen Staatsseketär Schädler zu durchleuchten. Gestern sollte der Abschlußbericht des Ausschusses der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Doch weil der rund 50 Seiten starke Bericht erst wenige Minuten vor Sitzungsbeginn vorgelegt wurde, vertagte der Ausschußvorsitzende Weidmann (SPD) dessen Erörterung auf den kommenden Donnerstag.

Nach Informationen der taz ist im offiziellen Bericht festgeschrieben, daß mit der zwingend notwendigen Abberufung Mayers als Büroleiter von Iris Blaul zu lange gezögert worden sei. Das Problem sei sowohl vom Ministerpräsidenten als auch von den Kabinettsmitgliedern nicht rechtzeitig gelöst worden.

Im Fall Schädlers beschränkt sich der Bericht nur auf die Feststellung, daß der bei Blaul in Ungnade gefallene Staatssekretär mit seinem Klagebrief an die Fraktion der Bündnisgrünen einen Akt der Illoyalität begangenen habe. Das Vertrauensverhältnis zu ihm sei deshalb irreparabel gestört gewesen.

Der ehemalige Staatssekretär Schädler war nach Blauls Rücktritt von Hessens Justizminister Rupert von Plottnitz (Bündnisgrüne) entlassen worden. Im Untersuchungsausschuß hatte er behauptet, er sei von Blauls „Küchenkabinett“ gemobbt worden.

Die Union glaubt nun, daß durch die Zeugenvernehmungen vor dem Ausschuß der Beweis erbracht worden sei, daß ein solches Küchenkabinett aus Bündnisgrünen im Ministerium die Fäden gezogen hat. Die Bündnisgrünen sehen das anders: Nur Schädler habe den Begriff Küchenkabinett benutzt. Alle anderen Zeugen hätten dagegen die Existenz einer solch delikaten, weil durch persönliche Verbindungen verknüpften Machtzentrale bestritten oder nichts davon gewußt.

Dem bündnisgrünen Berichterstatter des Ausschusses, Kaufmann, warf der FDP-Abgeordnete Hieltscher gestern vor, er habe den Abschlußbericht bewußt verschleppt. Sowohl Grüne als auch Sozialdemokraten hätten überhaupt kein Interesse an einem Konsensbericht.

Aufgrund der Meinungsverschiedenheiten kündigte die Union vorsorglich einen eigenen Minderheitsabschlußbericht an.

Klaus-Peter Klingelschmitt

Kommentar S.10