Amen

■ Feinde wurden zu Freunden auf einer sog. "kulturpolitischen Fachagung" der CDU

Der Untergang des Abendlandes steht bevor. Nämlich: Schon heute gibt es in den USA nur fünf, sechs Opernhäuser; in manche regnet's sogar rein (Open-Air), von Theatern ganz zu schweigen – Folge: Junge Leute frönen dem Hedonismus (Fun) und anderen Extremsportarten, legen sich auf den Highway, „und wer als letzter aufspringt, der hat den größten Kick!“ Das weiß Rolf Rempe, Geschäftsführer des Bremer Theaters, zu berichten. Dochdoch, alles ist wahr: Rempe hat tief in den Weser-Kurier (Vermischtes) geguckt, zu tief vielleicht, er ist schockiert und muß es erregten Kopfes weitersagen ... Wo sind wir? WDR-Kinderstunde, Late-Night bei Letterman? Ach, nein: bloß eine „kulturpolitische Fachtagung“ der Bremer CDU, Dienstagabend in der Weserburg.

Rempes Rundumschlag, dramatischer Höhepunkt des Abends, spiegelte sehr bildhaft den Diskussionsverlauf der Tagung wider. Mal hier, mal dorthin springend, kam die Runde doch immer wieder auf den gemeinsamen Gegner Amerika. Kunstsponsoring by Hugo Boss? Opernübertragungen im Fernsehen? Überhaupt, das viele Fernsehen? Für die Bremer Kulturwächter undenkbar. „Das amerikanische Modell“, erkärte Thomas Deecke (Museum Weserburg) ebenso drakonisch wie redundant, „kann hier nicht funktionieren!“

Was aber dann? – Da waren die Tagungsteilnehmer dann doch eher sprach- und ratlos. Dabei hatte die CDU bzw. deren kulturpolitische Sprecherin Elisabeth Motschmann einiges an bremischer Kompetenz aufgefahren. Auf dem Podium waren neben Deecke mit Kartin Rabus (Galerie Rabus), Thomas Albert (Musikfest), Rolf Rempe (s.o.) und eben Motschmann eigentlich jene Kulturfachleute vertreten, die bisher einen klugen Kopf zeigten und, besser noch, gern mit anderen klugen Köpfen aneinandergerieten. Und nun dies: Einigkeit, in welche Richtung man auch sah.

Einigkeit, daß Kultur „den Schutz des Staates“ braucht (Rabus); Einigkeit, daß Kultur auch mehr Sponsoring braucht, ohne jegliches Dreinreden freilich; Einigkeit, daß am Kulturhaushalt nichts gekürzt werden dürfe. Höchstens ein bißchen bei den Kulturläden und Büchereien (Motschmann). Jedenfalls sollen die von der amtierenden Kultursenatorin Kahrs (SPD) geforderten sieben Sparmillionen bleiben, wo sie sind. Einigkeit schließlich auch im Feindbild: Amerika, wie beschrieben, und eben Bringfriede Kahrs. Sparnöte seien „keine Entschuldigung dafür, keine präzisen und konkreten Vorstellungen auf den Tisch zu legen“, tönte die smarte Motschmann, als gelte es, in einer Direktwahl ihre sozialdemokratische Rivalin zu bezwingen.

Aber Kahrs war nicht da. Und nur ein Amerikaner, der seine vaterländische Fernsehkultur heldenhaft gegen die Bremer Kulturverweser verteidigte. So blieb jegliche Kontroverse aus. Sogar Helga Trüpel, vormals grüne Kultursenatorin, schloß die CDU-Reihen: „Frau Motschmann, ich unterstütze Sie!“ Unter den schweren Salven der Solidaritätsadressen blieben eventuelle Fachkonzepte dieser Fachtagung leider schamhaft verborgen. Kein fruchtbarer Dissens, keine Anregungen, kein Plan. Die Ideen der Hamburger Kollegen – Kunsthallenchef Uwe Schneede referierte eingangs über GmbH-Gründungen für die Museen – funktionierten mangels Geldmasse in Bremen nicht, so hieß es, oder seien schon umgesetzt.

So übt man weiter Solidarität im Geldfordern. Hofft auf mehr Geld aus dem WAP, aus dem ISP oder von sonstwoher. Hofft auf ein Wunder namens „Bremer Kulturstiftung“, in dem privates wie staatliches Geld zum Wohle aller verteilt werden soll – eine nicht eben neue Idee zwar und häufig sogar totgesagt, aber vielleicht hilft ja wiederholtes Beten und Beschwören.

Kurz: Man hofft auf Motschmanns Beistand. Und darauf, daß die jungen Leute, der Bremer Oper sei Dank, den Highways fernbleiben mögen. Thomas Wolff