Keine Angst vor den Privaten

■ Mit den Museen in die Zukunft (1): Das Überseemuseum probt Kooperation und den Umgang mit dem Pilzbefall/ Sanierung ist in allen Abteilungen abgeschlossen, aber noch immer bestimmen die trüben Ecken das Image

Bremens Museen stehen vor einer historischen Chance. Denn in den Führungsetagen wurden die Köpfe ausgetauscht, eine neue Riege von MuseumsdirektorInnen schreitet zur Tat. Endlich soll die maroden Häuser saniert werden, sollen neue Konzepte entwickelt werden. Fernziel: eine attraktivere Museumslandschaft, die mehr Publikum anzieht – auch von außerhalb. In einer dreiteiligen Folge schaut die taz nach, wie diese Chance genutzt wird.

„Eigentlich wird man hier nie fertig“, räumt die Direktorin Viola König ein, für die die Sanierung im Museum zum Dauerthema geworden ist. Kaum ist das frische renovierte Foyer fertiggestellt, sind mit dem Übersee-Cafe erste Schritte zur Kooperation mit privaten Betreibern gewagt und die Verhandlungen mit dem Cinemaxx vorangeschritten, da wird deutlich, daß auch mit diesen Aktivitäten kein Schlußpunkt errreicht ist. Denn der Zustand der Ausstellungsräume ruft schon jetzt wieder nach einer Verjüngungskur.

Auf den Besucher wirkt der Lichthof staubig und unattraktiv. Der ehemals imposante Bau mit seinen Balkonen und Dekorationen aus Natursteinen wurde in den 70ern aufs brutalste zugerichtet. Der Stuck wurde abgeschlagen, und mit einem Anstrich in langweiligem Beige-Gelb sollte hier die neue Übersichlichkeit einziehen. „Jeder schleppt so ein Erbe mit sich herum, wir haben dummerweise gerade die Phase abbekommen“, bedauert König.

Schade eigentlich, denn die Substanz des Überseemuseums kann sich sehen lassen. Vor 100 Jahren haben die Gründer mit dem dreigleisigen Modell aus völkerkundlichem, geographischem und ökonomischem Ansatz eine Struktur entwickelt, die heute wieder voll im Trend liegt und von vielen Museen angestrebt wird. Viola König weiß, da liegt das Überseemuseum ganz vorn: „So was gibt es in ganz Deutschland nicht, wir stehen damit einzigartig da.“

Zu sehen allerdings ist von der ganzen Pracht wenig. Auch wenn gerade der letzte Abschnitt des großen Sanierungsprogramms, das seit 1979 jede einzelne Abteilung neu gestaltete, abgeschlossen wird, auf den ersten Blick ist nichts davon zu merken. Besonders die abgenutzte Teppichauslegeware stellt die Ausstellungsflächen auf einen schmuddeligen Grund. Doch damit nicht genug, die Beleuchtung, mit der die kostbaren japanischen Schwerter oder Muscheln aus der Südsee angestrahlt werden, hat den Charme einer DDR–Bahnhofshalle. Wer Pech hat, gerät in Räume, die sich erst beim Eintritt mittels Bewegungmelder erhellen und in denen man offensichtlich vor Wochen vergessen hat, die Fenster zu schließen. Obwohl täglich Hunderte von Schulkindern durch das Museum toben und neben den Nerven der WärterInnen auch die Inneneinrichtung strapazieren, haben im Überseemuseeum ganze Abteilungen seit 20 Jahren keinen Farbpinsel mehr gesehen. Viola König weiß um das Problem. „Für Investitionen im ästhetischen Bereich ist einfach kein Geld da, außerdem fehlt das Personal, um die Objekte einfach nur zu entstauben.“

Ausgegeben wurden 1992 stattdessen 1,5 Millionen Mark, weil man auch im Überseemuseum Asbest entdeckt hatte. Eine Ausgabe, die die Direktorin heute für „fast überflüssig“ hält. Das Patchwork der einzelnen Präsentationen hält sie für verzeihlich und verkauft das Durcheinander als „gewollte Buntheit“ man hätte im Museum schließlich niemanden, der durchgängig für Design zuständig ist.

Schwere Sorgen macht dem Museeum seit Jahren der Zustand des Magazins, das vollständig geschlossen ist, seitdem die Gefährlichkeit der mit Insektenschutzmittel behandelten Objekte bekannt wurde. Verheerend sind die Folgen. „Es ist wirklich unglaublich, daß dieses Provisorium nun schon seit 17 Jahren andauert. Wir sind sämtlich von unserem Potential abgeschnitten.“ Sonst könnte man auch selbst mit den Schätzen aus dem Bestand Ausstellungen machen oder Objekte, die jetzt teuer aus anderen Städten herbeigeschafft werden müssen, durch Eigenes austauschen. Jüngstes Beispiel: die Elefanten Ausstellung: „Wir hätten viele der Ojekte selbst im Archiv und könnten die Ausstellung für ein Drittel des Geldes mit 6.000 Mark realisieren.“ Im zwei Jahren hofft man im Überseemuseum weiter zu sein. Dann nämlich soll die Kooperation mit dem Cinemaxx Früchte tragen, soll das Archiv in der „gläserne Schausammlung“ endlich wieder zugänglich sein und mit geringem Aufwand an Aufsichtspersonal die Pluspunkte des Museums herausstellen : Die liegen im interdisziplinären Ansatz und der enormen Materialfülle, die im Museum zur Verfügung steht. Im 19. Jahrhundert wollte man in Bremen jedermann über die Welt in den überseeischen Kolonien informieren: Staunen vor vollen Vitrinen mit Kuriosa vom mumifizierten Schädel bis zum Speer.

„Wir sind zwar ein Low-Budget-Museum, haben keine reiche Lobby wie die Kunsthalle, aber zu uns kommen breite Schichten der Bevölkerung.“ Die Sanierungsprojekte des Museums richten sich danach: Was populär ist, wird zumindest durchdacht und erwogen. Man zeigt Flexibilität und wenig Berührungsängste. Durch Zusammenarbeit mit privatwirtschaftlichen Unternehmen will man sich besser an den Markt anpassen, und langfristig aus der Abhängigkeit von der senatorischen Behörde herausgeraten. Erstes Beispiel die Übersee-Bar: Die an das Gastronomen-Duo Klein und Laci vergebenen Räume sollen tagsüber die Schulklassen an der quietschbunten Milchbar verköstigen, abends die Szene in das Cafe holen. Die in Kooperation mit dem Cinemaxx geplante gläserne Schausammlung soll auch des Nachts, wenn das Museum geschlossen ist, durch riesige Glasflächen den Kinogängern Einblick in die Schätze des Übersseemuseums vermitteln und sie bei verlängerten Öffnungszeiten zu einem spontanen Besuch verlocken. Und für die Zukunft denkt man im Hause sogar über die Einrichtung eines Aquariums im Keller des Museum nach. Eine Machbarkeitsstudie ist schon bewilligt. Gerade anläßlich des 100. Geburts kann man sich im Museum mit diesen Visionen bestätigt fühlen. In der bewegten Geschichte des Museums am Bahnhofsplatz war alles schon da: Die Fundamente eines alten Aquariums finden sich im Keller. Die halbe Million Besucher, die bis vor dem Zweiten Weltkrieg ins Überseemeseum stürmten, kamen wegen der Fülle des Materials. Nachdem das vor 20 Jahren aus den übervollen Vitrinen genommen wurde, versucht man nun, das Publikum wieder damit zu verführen, in dem sich das Überseemuseum heute bei dem Publikumsmagneten des auslaufenden 20. Jahrhunderts, dem Cinemaxx, anbindet.

Susanne Raubold