Pingpong auf dem Rücken der Natur

■ Der Bund drückt sich seit zehn Jahren vor einem neuen Naturschutzgesetz, verzögert so geplante Schutzgebiete und gefährdet Millionenzuschüsse der EU

Berlin (taz) – Heute tagen die UmweltministerInnen in Magdeburg. Dort werden die Länder auch die Umsetzung des Naturschutzkonzeptes der Europäischen Union anmahnen, denn ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland läuft schon, ein zweites ist in Vorbereitung – die ach so vorbildlichen Deutschen wieder einmal am Euro-Umweltpranger.

Die EU-Kommission ist sehr unzufrieden über die Umsetzung ihres geplanten Netzes von Naturschutzgebieten. Schon seit 1992 liegt die betreffende „Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie“ vor, kurz FFH genannt. Im Juni lief die letzte Frist für die Anpassung natinalen Rechts ab, die vorgesehenen Schutzgebiete hätten längst nach Brüssel gemeldet werden müssen. Doch Länder und Bund betreiben ein rechtliches Pingpong.

In Deutschland ist Naturschutz Ländersache, der Bund gibt nur den gesetzlichen Rahmen vor. Die Länder meinen, daß sie nichts ohne die neue rechtliche Grundlage festlegen können und melden nur sehr zögerlich Schutzgebiete nach Brüssel – und der Bund drückt sich schon seit Mitte der achtziger Jahre um eine Novellierung des Naturschutzgesetzes. Im Lobbykampf zwischen Natur- und Wirtschaftsschutz geht bisher auch die FFH-Richtlinie unter. Sie würde das deutsche Genehmigungsrecht innerhalb von Biotopen verschärfen. Für jedes Bauvorhaben innerhalb des Gebietes müßte eine Verträglichkeitsprüfung her, nicht nur wie bisher für Großprojekte. Außerdem müßten selbst Bauten außerhalb der Schutzgebiete überprüft werden, wenn sie die geschützte Natur beeinflussen könnten.

Ausnahmegenehmigungen sind unter der FFH-Richtlinie schwerer. So konnte der Naturschutzbund mit einer Klage vor der EU den Verlauf der Ostsee-Autobahn A20 im Bereich des Peenetals verändern, obwohl der Bund für die Genehmigung ein übergeordnetes Interesse angeführt hatte: Weil die Regierung kein eigenes Gesetz auf die Beine brachte, gilt nach Meinung der Kommission nun einfach die EU-Regelung.

Die Bundesländer haben das Bonner Umweltministerium schon im Frühjahr aufgefordert, endlich für ein neues Bundesnaturschutzgesetz zu sorgen. Doch getan hat sich nichts.

Weil Brüssel nur Gelder gibt für ordentlich ausgewiesene und gemeldete Naturparks, sind die EU- Zuschüsse für den Naturschutz gefährdet, 1995 immerhin 10 Millionen Mark für die leeren Biotop- Kassen der neuen Länder.

Ein Bremser ist auch Theo Waigel. Er steht auf dem Standpunkt, daß wie bisher Naturschutz ausschließlich Ländersache ist. Die neuen Schutzgebiete müßten also von Ländern und EU finanziert werden. Der Minister will sogar wichtige Naturschutzflächen aus DDR-Hinterlassenschaft teuer an die Länder verkaufen: Im geplanten Buchen-Nationalpark Hainich in Thüringen liegen zwei alte Truppenübungsplätze. „Waigel will dafür von Thüringen 70 Millionen Mark haben, anstatt sie kostenlos zur Verfügung zu stellen“, beschwert sich Claus Mayr, Europaexperte beim Naturschutzbund. „Die Krönung ist, daß die Bundesforstverwaltung zur Zeit alte Buchen auf dem Übungsplatz Weberstedt fällt, um sie zu Geld zu machen – mitten im Nationalpark.“ Reiner Metzger