Klare Konfliktlinien vor dem Grünen-Parteitag

■ Mehrheit der Bundestagsfraktion will Bosnien-Einsatz zustimmen

Bonn (taz) – Die Bundestagsabgeordneten der Bündnisgrünen werden voraussichtlich ohne einheitliche Haltung zum Bosnien- Einsatz der Bundeswehr nach Bremen zum Parteitag fahren. Der führende Außenpolitiker der Parteilinken, Ludger Volmer, erteilte gestern Bemühungen um einen Kompromiß zwischen den verschiedenen Lagern eine deutliche Absage: Jeder Einigungsversuch vor dem Parteitag wäre notwendigerweise „mit heißer Nadel gestrickt“, sagte Volmer der taz: „Das hätte keinen Zweck.“ Vor einer Kompromißsuche in der Fraktion müsse in Bremen erst die „Grundsatzfrage“ der militärischen Einsätze geklärt werden.

Die stellvertretene Fraktionsvorsitzende Kerstin Müller hatte in der Fraktionssitzung am Dienstag vorgeschlagen, sich in der Bosnienfrage noch vor dem Parteitag zu einigen. Ein Kompromißbeschluß der Abgeordneten hätte das Verhältnis von Fraktion und Partei entkrampfen können, das sich wegen der erwarteten Zustimmung von Teilen der Fraktion zum Bosnien-Einsatz verschlechtert hat. Wenige Tage vor dem Parteitag befürwortet eine Mehrheit in der Fraktion den Realo-Antrag von Hubert Kleinert. Sehr viele Abgeordnete sind auch geneigt, am kommenden Mittwoch im Bundestag der Regierungsvorlage für die Entsendung der Bundeswehr zuzustimmen.

Der Antrag der Parteilinken aber, dem in Bremen große Erfolgschancen eingeräumt werden, schließt nach Ansicht seines Autors Ludger Volmer eine Zustimmung zu dem vorliegenden Regierungsbeschluß aus.

„Realos“ wie Joschka Fischer und Werner Schulz sehen das anders: Der deutsche Beitrag, argumentieren sie, sei kein Kampfeinsatz, sondern solle mit dem Einverständnis aller Konfliktparteien ein Friedensabkommen sichern. Dafür sei allerdings eine massive militärische Komponente notwendig. Die Bundeswehr solle aber nicht zur Truppenentflechtung der Konfliktparteien eingesetzt werden.

Die Regierungsvorlage macht den Grünen eine Zustimmung schwer, da sie mit ECR-Tornados auch Kampfflugzeuge nach Exjugoslawien entsenden will und einen Vorratsbeschluß für die weitere Entsendung von Soldaten einschließt. Den Realos in der Fraktion ist vor allem wichtig, daß viele Abgeordnete dem Friedensabkommen von Dayton und der deutschen Beteiligung an seiner militärischen Sicherung zustimmen. Sie sind bereit, die Regierungsvorlage abzulehnen, wenn die Fraktion einen eigenen Antrag mit diesen Essentials verabschiedet.

In der heutigen Bundestagsdebatte über den Friedensprozeß in Bosnien wollen die Grünen mit verschiedenen Positionen auftreten. Heute will die Fraktionsspitze auch entscheiden, ob es Zweck hat, am Freitag morgen noch eine Sondersitzung zur Kompromißsuche einzuberufen. Der Parteitag beginnt Freitag abend. Hans Monath