Aura des Echten

■ Mit den Museen in die Zukunft (2): Für 8,3 Millionen Mark wird das Focke-Museum renoviert/ Bis 1998 soll der Weg Bremens in die Unabhängigkeit bis in die Gegenwart dokumentiert sein, Leitlinie: „kritische Identität“ MuseumsbesucherInnen

Bremens Museen stehen vor einer historischen Chance. Denn in den Führungsetagen wurden die Köpfe ausgetauscht, eine neue Riege von MuseumsdirektorInnen schreitet zur Tat. Endlich soll die maroden Häuser saniert werden, sollen neue Konzepte entwickelt werden. Fernziel: eine attraktivere Museumslandschaft, die mehr Publikum anzieht – auch von außerhalb. In einer dreiteiligen Folge schaut die taz nach, wie diese Chance genutzt wird.

Dicht an dicht stehen die Schiffsmodelle, an den Wänden drängen sich Porträts und Stadtansichten alter Meister in Öl. Selbst in den Bürofluren des Focke-Museums sind Schauvitrinen aus der Waffensammlung abgestellt. Nicht um Besucher in die Museumsverwaltung zu locken, sondern schlicht aus Platzmangel. Wenn die 2.500 Quadratmeter Ausstellungsfläche des Haupthauses im Bremen Landesmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte derzeit eine große Baustelle sind, müssen die Exponate schließlich zwischengelagert werden, bis das Museum mit neuem Schwung und Konzept wiedereröffnet wird. Wenn alles klappt: 1998. Bis dahin wird der Bau des Architekten Heinrich Bartmann, entstanden 1961-64, gründlich ausgeweidet und museumstechnisch auf den neuesten Stand gebracht. Heizungen etwa, die bislang – konservatorisch höchst ärgerlich – direkt unterhalb der Vitrinen angebracht waren, werden entfernt; die allzu großen Glasfenster, die den Objekten auf Dauer durch erheblichen Lichteinfall zusetzten, werden ausgetauscht. Durch doppelte High-Tech-Scheiben: getönt, einbruchshemmend, alarmgesichert. Neue Vitrinen müssen her; denn bei den vorhandenen aus den 60er Jahren sorgt die geringe Öffnungsbreite dafür, daß die Exponate schon beim Einstellen beschädigt werden. Etwa jene empfindlichen Majoliken Heinrich Vogelers, die derzeit in den Magazinen des Museums vor sich hin dämmern oder das feinziselierte Kork-Modell des Bremer Rathauses, das noch von niemandem bestaunt werden darf.

8,3 Millionen Mark stehen für die Renovierung des Focke-Museums zur Verfügung, eine Summe, die, heute beantragt, nicht mehr da wäre für einen Umbau, meint Museumsleiter Dr. Jörn Christiansen. Die Millionen zu bekommen, dauerte lange genug. Schließlich ist der Umbau des im strengen Bungalow-Stil erbauten Museums bloß ein Kompromiß. Wenn auch einer, mit dem sich leben läßt, sagt Christiansen. Versprochen wurde ihm, als er vor vier Jahren nach Bremen kam, ein umfangreicher Erweiterungsbau samt verdreifachter Ausstellungsfläche. Die Pläne lagen schon vor; sogar neue Standorte waren im Gespräch: etwa ein Neubau auf dem „Theaterberg“ oder das ehemalige Postgebäude in der Langenstraße.

Nichts davon wurde, trotz Zusagen des damaligen Bildungssenators Henning Scherf, realisiert. Drei Jahre später wurden, als eine Art Ehrenrettung der Stadt, wenigstens die Gelder zur Renovierung des Standortes Schwachhausen bewilligt. Was soll werden aus dem ehemaligen „Focke-Museum für vaterländische Altertümer“? „Der rote Faden unserer künftigen Gestaltung ist das Bemühen der Stadt um Selbständigkeit“, sagt Christiansen. „Anlaß ist das Linzer Diplom, das sich 1996 zum 350. Mal jährt. Damals wurde Bremen seine Unabhängigkeit mit Brief und Siegel bescheinigt.“

Ziel des neuen Konzeptes, so Jörn Christiansen, sei die Ausbildung einer „kritischen Identität“ des Museumsbesuchers. „Meine Kollegen lieben den Begriff „Heimatmuseum“ nicht. Das ist immer mit liebevollem Dilettantismus und Provinzialität verbunden. Uns geht es darum dagegenzusteuern, daß die Menschen bewußtlos in ihrer Stadt leben, ohne wahrzunehmen, was sie umgibt.“

Im Focke-Museum treten sechs Wissenschaftler im Team an, um das Publikum, 111.000 BesucherInnen waren es im letzten Jahr, für die kunst- und kulturgeschichtlichen Besonderheiten ihrer Umgebung empfänglich zu machen.

Und zwar durch Opulenz und die „Aura des Echten“. Die Voraussetzungen dafür sind in den Tiefen der Magazine zu finden. In Schauvitrinen Ensembles bilden, wertvolle Unikate an exponierten Stellen plazieren und erklären, den kommunikativen Aspekt des Museumsbesuchs betonen. Etwa durch museumspädagogische Maßnahmen, die es seit 1975 gibt: „Führungen bleiben ein sehr wichtiges Element“. Und auch großformatige Modelle des historischen Bremens, die gerade dem Lerneffekt im Museum besser gerecht werden als ein Computerterminal mit teurer interaktiver Software. „Obwohl ohne die kein modernes Museum mehr auskommen kann.“

Ebensowenig wie ohne einen Museumsshop, der neben dem gut etablierten Restaurant „Focke's“ den Eindruck eines Gesamt-Events verstärkt. Allerdings nicht nach amerikanischem oder britischem Vorbild, wo „der gute Museumseindruck durch standardisierte Ware im Shop, Stichwort: Ars mundi, wieder zunichte gemacht wird.“ Gedacht ist an wertvolle, aber bezahlbare Originale und Replikate der Arbeitsgemeinschaft Kunsthandwerk, speziell für das Focke-Museum angefertigt. Und während das geschätzte Publikum die gekauften Stücke im Shop auch anfassen und getrost nach Hause tragen darf, bleibt die sinnliche Wahrnehmung, so will es etwa der stellvertrende Direktor Alfred Löhr, aufs Visuelle beschränkt. Bitte nicht anfassen, wird es auch weiterhin heißen. Es gelte, den – teils einzigartigen – Exponaten Distanz gegenüberzubringen. „Manche alte Puppenstube ist nur noch deshalb erhalten, weil irgendwann nicht mehr mit ihr gespielt wurde.“ Und: „Auch Anschauen ist schon in hohem Maße sinnlich.“

Damit die neue Focke-Konzeption keine heiße Luft bleibt, hofft Jörn Christiansennatürlich auch auf Hilfe von der Stadt:„Auf das Gespräch mit der Bildungssenatorin warte ich bis heute“, sagt er und geht davon aus, daß ein entsprechender Etatposten in die Haushaltsplanungen für sein Haus eingeht. „Wenn die Stadt Bremen so auf ihre Unabhängigkeit pocht und sie in einem Museum dokumentiert sehen will, muß sie auch finanziell dafür einstehen. Zwar wird man um Sponsorengelder nicht herumkommen, doch ein Problem ist es, die Geldgeber von unerwünschter Einflußnahme abzuhalten. Zumal die Reichweite des Werbeeffektes für den Sponsor regional begrenzt ist. „Die Sponsorentätigkeit kann tödlich sein für ein Museum.“

Alexander Musik

Dicht an dicht stehen die Schiffsmodelle, an den Wänden drängen sich Porträts und Stadtansichten alter Meister in Öl. Selbst in den Bürofluren im Haupthaus des Focke-Museums sind Schauvitrinen aus der Waffensammlung abgestellt. Nicht um Besucher in die Museumsverwaltung zu locken, sondern schlicht aus Platzmangel. Wenn die 2.500 Quadratmeter Ausstellungsfläche des Haupthauses im Bremen Landesmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte derzeit eine große Baustelle sind, müssen die Exponate schließlich zwischengelagert werden, bis das Museum mit neuem Schwung und Konzept wiedereröffnet wird. Wenn alles klappt: 1998. Bis dahin wird der Bau des Architekten Heinrich Bartmann, entstanden 1961-64, gründlich ausgeweidet und museumstechnisch auf den neuesten Stand gebracht. Heizungen etwa, die bislang – konservatorisch höchst ärgerlich – direkt unterhalb der Vitrinen angebracht waren, werden entfernt; die allzu großen Glasfenster, die den Objekten auf Dauer durch erheblichen Lichteinfall zusetzten, werden ausgetauscht. Durch doppelte High-Tech-Scheiben: getönt, einbruchshemmend, alarmgesichert. Neue Vitrinen müssen her; denn bei den vorhandenen aus den 60er Jahren sorgt die geringe Öffnungsbreite dafür, daß die Exponate schon beim Einstellen beschädigt werden. Etwa jene empfindlichen Majoliken Heinrich Vogelers, die derzeit in den Magazinen des Museums vor sich hin dämmern oder das feinziselierte Kork-Modell des Bremer Rathauses, das noch von niemandem bestaunt werden darf.

8,3 Millionen Mark stehen für die Renovierung des Focke-Museums zur Verfügung, eine Summe, die, heute beantragt, nicht mehr da wäre für einen Umbau, meint Museumsleiter Dr. Jörn Christiansen. Die Millionen zu bekommen, dauerte lange genug. Schließlich ist der Umbau des im strengen Bungalow-Stil erbauten Museums bloß ein Kompromiß. Wenn auch einer, mit dem sich leben läßt, sagt Christiansen. Versprochen wurde ihm, als er vor vier Jahren nach Bremen kam, ein umfangreicher Erweiterungsbau samt verdreifachter Ausstellungsfläche. Die Pläne lagen schon vor; sogar neue Standorte waren im Gespräch: etwa ein Neubau auf dem „Theaterberg“ oder das ehemalige Postgebäude in der Langenstraße.

Nichts davon wurde, trotz Zusagen des damaligen Bildungssenators Henning Scherf, realisiert. Drei Jahre später wurden, als eine Art Ehrenrettung der Stadt, wenigstens die Gelder zur Renovierung des Standortes Schwachhausen bewilligt. Was soll werden aus dem ehemaligen „Focke-Museum für vaterländische Altertümer“, wie die Sammlungen zum 70. Geburtstag des Museumsgründers Dr. Johann Focke genannt wurden?

„Der rote Faden unserer künftigen Gestaltung ist das Bemühen der Stadt um Selbständigkeit“, sagt Christiansen. „Anlaß ist das Linzer Diplom, das sich 1996 zum 350. Mal jährt. Damals wurde Bremen seine Unabhängigkeit mit Brief und Siegel bescheinigt.“

Ziel des neuen Konzeptes, so Jörn Christiansen, sei die Ausbildung einer „kritischen Identität“ des Museumsbesuchers. „Meine Kollegen lieben den Begriff „Heimatmuseum“ nicht. Das ist immer mit liebevollem Dilettantismus und Provinzialität verbunden. Uns geht es darum dagegenzusteuern, daß die Menschen bewußtlos in ihrer Stadt leben, ohne wahrzunehmen, was sie umgibt.“

Im Focke-Museum treten sechs Wissenschaftler – Volkskundler, Kunsthostoriker, Archäologen – im Team an, um das Publikum, 111.000 waren es im letzten Jahr, für die kunst- und kulturgeschichtlichen Besonderheiten ihrer Umgebung empfänglich zu machen.

Und zwar durch Opulenz und die „Aura des Echten“, die Voraussetzungen dafür sind in den Tiefen der Magazine zu finden. In Schauvitrinen Ensembles bilden, wertvolle Unikate an exponierten Stellen plazieren und erklären, den kommunikativen Aspekt des Museumsbesuchs betonen. Etwa durch museumspädagogische Maßnahmen, die es seit 1975 gibt: „Führungen bleiben ein sehr wichtiges Element“. Und auch großformatige Modelle des historischen Bremens, die gerade dem Lerneffekt im Museum besser gerecht werden als ein Computerterminal mit teurer interaktiver Software. „Obwohl ohne die kein modernes Museum mehr auskommen kann.“

Ebensowenig wie ohne einen Museumsshop, der neben dem gut etablierten Restaurant „Focke's“ den Eindruck eines Gesamt-Events verstärkt. Allerdings nicht nach amerikanischem oder britischem Vorbild, wo „der gute Museumseindruck durch standardisierte Ware im Shop, Stichwort: Ars mundi, wieder zunichte gemacht wird.“ Gedacht ist an wertvolle, aber bezahlbare Originale und Replikate der Arbeitsgemeinschaft Kunsthandwerk, speziell für das Focke-Museum angefertigt. Und während das geschätzte Publikum die gekauften Stücke im Shop auch anfassen und getrost nach Hause tragen darf, bleibt die sinnliche Wahrnehmung, so will es etwa der stellvertrende Direktor Alfred Löhr, aufs Visuelle beschränkt. Bitte nicht anfassen, wird es auch weiterhin heißen. Es gelte, den – teils einzigartigen – Exponaten Distanz gegenüberzubringen. „Manche alte Puppenstube ist nur noch deshalb erhalten, weil irgendwann nicht mehr mit ihr gespielt wurde.“ Ist das Haptische nicht ein Merkmal, das das Museum anderen Medien voraus hat? „Auch Anschauen ist schon in hohem Maße sinnlich.“

Doch bis zur Eröffnung ist es noch ein weiter Weg. Bis Ende nächsten Jahres sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein, dann werden die neugestalteten Räume ausgestattet. Manches wird im Magazin verschwinden, manches von dort herausgeholt, Neuerwerbungen finanzieren in der Regel die Freunde des Focke-Museums. Der Etat dafür sieht marginale 40.000 Mark vor. Dabei liegen die Kosten pro Quadratmeter Ausstellungsfläche erfahrungsgemäß zwischen 1.500 und 3.000 Mark. „Auf das Gespräch mit der Bildungssenatorin warte ich bis heute“, sagt Jörn Christiansen, und geht davon aus, daß ein entsprechender Etatposten in die Haushaltsplanungen für sein Haus eingeht. „Wenn die Stadt Bremen so auf ihre Unabhängigkeit pocht und sie in einem Museum dokumentiert sehen will, muß sie auch finanziell dafür einstehen. Zwar wird man um Sponsorengelder nicht herumkommen, doch ein Problem ist es, die Geldgeber von unerwünschter Einflußnahme abzuhalten. Zumal die Reichweite des Werbeeffektes für den Sponsor regional begrenzt ist. „Die Sponsorentätigkeit kann tödlich sein für ein Museum.“

Alexander Musik