Polizisten pfeifen Innen-Staatsrat aus

■ Personalversammlung der Polizei im Kongreß-Zentrum / „Vertrauensvorschuß verbraucht“

Mit einem Pfeiffkonzert quittierten die rund eintausend MitarbeiterInnen der Bremer Polizei gestern vormittag auf einer Personalversammlung im Kongreß-Zentrum die Rede des Staatsrats für Inneres, Hans-Georg von Bock und Polach. Nicht eine Hand rührte sich zum Applaus. Das änderte sich erst, als Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) am Ende der Versammlung doch noch persönlich erschien. Inhaltlich hatte er den PolizistInnen auch keine Versprechungen anzubieten. Trotzdem gelang es ihm, die Buh-Rufe, mit denen er empfangen worden war, bis zum Ende seiner Rede zumindest in einen lauwarmen Applaus zu verwandeln.

Trotzdem war ganz offensichtlich: Die Stimmung zwischen der Bremer Polizei und ihrem Senator Borttscheller ist angespannt. „Der Vertrauensvorschuß in die Große Koalition ist verbraucht“, konstatierte der Vorsitzende des Polizei-Personalrats, Manfred Offermann, gleich zu Beginn der Versammlung. Sparbeschlüsse, Giftlisten, Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich und weitere Vorhaben, mit denen die Koalition im ersten halben Jahr ihrer Arbeit von sich Reden machte, hätten die Stimmung in der Polizei gereizt. Offermann: „Nullrunden führen zu null Bock!“

„Ich bin nicht vorbereitet, hier eine Rede zu halten“, gestand Staatsrat von Bock gleich zu Beginn seines Auftritts. Sprechen sollte eigentlich Senator Borttscheller selber, aber der nahm an der Sondersitzung des Senats zur Zukunft des Bremer Vulkan Verbunds teil. „Da geht es um Existenzfragen“, begründete von Bock diese Entscheidung und erntete böse Zwischenrufe: „Und für unsere Existenz interessiert sich keiner!“ Was wiederum den Staatsrat zu dem Satz provozierte: „Sie haben zumindest einen sicheren Arbeitsplatz.“ Die Antwort waren nur noch Pfiffe.

Auch Bremens Polizeipräsident Rolf Lüken wollte sich da nicht mehr hinter Senator und Staatrat stellen. Deren Amtsantritt habe nämlich zum Ausbleiben von Beförderungen im Jahr 1995 geführt – einer der Hauptgründe für den Zorn der Polizei. Lüken: „Wäre der Ampel-Senat im Amt geblieben, hätte es eine Hebungsrunde gegeben.“ Der politische Wechsel habe die zeitige Umsetzung des Versprechens von Innensenator Friedrich van Nispen verhindert.

Neben den ausbleibenden Beförderungen ärgert die Polizisten im Streifendienst vor allem, daß die neu eingestellten KollegInnen inzwischen gleich in den „gehobenen Dienst“ eingestuft werden, die seit vielen Jahren in der Praxis erfahrenen Beamten aber weiter im „mittleren Dienst“ bleiben. „Es muß endlich Schluß damit sein, daß uns ein 30jähriger Kommissar vor die Nase gesetzt wird und uns erzählt, was wir tun sollen“, forderte ein 55jähriger Streifenbeamter. Und zu dieser Kränkung komme dann auch noch, daß es „immer schwerer wird als Polizeibeamter bei Bekannten und Freunden Anerkennung zu finden“.

Und dann kam der Senator nach eineinhalb Stunden doch noch. Mißmutig empfangen gelang es ihm, die Stimmung noch einmal herumzureißen. „Ich habe mir sagen lassen, welche Töne hier angeschlagen werden“, begann er seine Rede gleich offensiv, „aber bleiben Sie doch realistisch; sehen Sie, was in der Kasse nach 40 Jahren Sozialismus a la Sozialdemokratie noch drin ist.“ Verantwortlich für alle Mißstände seien seine Vorgänger. Borttscheller: „Wer mir vorwirft, ich würde mich nicht für die Polizei einsetzen, dem muß ich Böswilligkeit unterstellen.“ Und am Ende schade er sich auch selbst: „Wenn Ihr Innensenator in der Koalition gut aussieht, werden Sie das auch tun“, rief Borttscheller den PolizistInnen zu.

Und die dankten es ihm mit zunehmendem Wohlwollen. Da gab es sogar Applaus für einen Satz, für den von Bock zuvor ausgebuht worden war: „Wir müssen uns von liebgewonnen Privilegien der Vergangenheit trennen.“ Was er damit meint, hatte Borttscheller zuvor ausgemalt: „Als Anwalt konnte ich aus meinem Fenster in der Knochenhauerstraße mittags die Beamten aus dem Polizeipräsidium mit den Tüten von Karstadt und Horten beobachten. Mit dieser Gewohnheit wird es nach dem Umzug in die Lettow-Vorbeck-Kaserne vorbei sein.“ Ase