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: Kategorische Paarungspflicht

Ich, der Boß, Mittwoch, 20.15 Uhr, ARD

Um 20.46 Uhr juckte der Finger. Es kribbelte, krabbelte und zuckte. Zu irgendeiner Zahl auf der Fernbedienung, bloß weg von der Eins. Weil man aufs Komma genau wußte, wo's langgeht. Was weiter nicht schlimm ist, sofern man nur unterhalten wird, während man auf die Bilder wartet, die ein inbrünstiges „siehste, hab' ich doch gesagt“ rechtfertigen. Aber mit der Unterhaltung haperte es halt.

Ob die im Ernst glauben, wir merkten das nicht? Die machen aus „Love Boat“ ein „Traumschiff“, aus „Wallstreet“ einen „Bellheim“ und aus „Filofax“ eben „Ich, der Boß“. In „Filofax“ nimmt James Belushi Urlaub vom Knast, findet einen Filofax und schlüpft in die Rolle des Besitzers, der eigentlich einen japanischen Kunden für seine Werbeagentur gewinnen wollte, aber nun, weil ohne Papiere, in der Gosse landet. In „Ich, der Boß“ findet der Kleinganove Jan J. Liefers eine Brieftasche samt Handy und schlüpft in die Rolle des Besitzers, der eigentlich vom Management einer japanischen Autofirma zu einer deutschen wechseln wollte, aber statt dessen, weil ohne Papiere, in einer Anstalt landet.

Beide improvisieren ein wenig, und letzlich wird alles gut, weil Nieten in Nadelstreifen nur mal von Zivilisten mit gesundem Menschenverstand auf Zack gebracht werden müssen. Nichts gegen Remakes, aber Belushi war lustig. Liefers nicht.

Ein bißchen was hatten die Autoren Ecki Ziedrich und Martin Gies noch hinzugefügt, nämlich Leslie Malton als – keine ganz neue Idee – karrieregeilen Eisbeutel, der von Liefers' siebenjähriger Tochter das Gehirn gewaschen kriegt. Dermaßen zum trauten Familienleben bekehrt, steht sie am Ende frisch geschwängert vor dem paradiesischen Sonnenuntergang. Offenbar herrscht bei der ARD kategorische Paarungspflicht, denn auch die teils von Ziedrich betreute Serie „Zoff und Zärtlichkeit“ begann als munterer Geschlechterkrieg und wird mit Geburtswehen traurig (ver)enden.

Über derart reaktionäre Rollenbilder könnte man noch großzügig hinwegsehen, wenn sie wenigstens einigermaßen originell präsentiert würden. Aber nichts da, Regisseur Martin Gies kam uns mit den ganz faulen Lösungen. Sektgläser in Großaufnahme, dicke Akten für viel Arbeit. Das sind visuelle Platitüden für bildsprachliche Analphabeten. Wen wundert's, daß der Finger zuckt... Harald Keller