Peacekeeping – was ist das, was soll das?

■ Warum UNO-Blauhelme und grüne Friedenspolitik doch gut zusammenpassen

Peacekeeping, das sei doch auch nichts anderes als der Einsatz von Militär. Friedenserhaltende Einsätze und friedenserzwingende Kampfeinsätze ließen sich nicht abgrenzen und gingen nahtlos ineinander über. Diese Behauptung ist so beliebt wie falsch.

Radikalpazifisten befürchten dies und lehnen Peacekeeping deshalb ab. Interventionisten erhoffen es, um den Türöffner für Kampfeinsätze zu haben. Beide Seiten desavouieren so einen Ansatz, der dem Pazifismus den Geschmack der Wirkungslosigkeit in eskalierten Krisensituationen nimmt, ohne die Grenze zu einem militärischen Einsatz zu überschreiten. Diese Auffassungen leugnen die – mit Blick auf die Innenpolitik – unmittelbar einleuchtende Unterscheidung von Polizei und Militär. Nur auf der phänomenologischen Ebene festzustellen, daß beide Waffen hätten und eine Unterscheidung deshalb Rabulistik sei (so Hubert Kleinert im Spiegel und Joschka Fischer in seinem jüngsten offenen Brief), ist etwa so logisch wie die Behauptung, ein Feuerwehrmann sei von einem Soldaten nicht zu unterscheiden.

Peacekeeping nach Kapitel VI der UN-Charta soll in einem Kriegsgebiet nach Erreichung eines Waffenstillstandes mithelfen, diesen zu erhalten und in einen wirklichen Friedensprozeß vor Ort umzuwandeln. Es geht vor allem um Vermittlung zwischen den Konfliktparteien und Unterstützung der humanitären Hilfe. Soldaten sind gerade für diese Aufgaben nicht ausgebildet und eignen sich schon deshalb nicht oder nur sehr bedingt für Peacekeeping. Deshalb ist die Aufstellung und Ausbildung spezieller Einheiten für friedensbewahrende Einsätze notwendig.

Friedenserzwingung (peace- enforcement) nach Kapitel VII der UN-Charta bedeutet dagegen Kriegführung gegen eine oder mehrere Konfliktparteien, bis sie sozusagen kapitulieren und einen diktierten Friedensschluß akzeptieren. Peacekeeping dagegen beurteilt einen Konflikt nicht unter der Optik militärischer Siegchancen, definiert nicht Freund und Feind und bewegt sich nicht auf einer nach oben offenen Eskalationsskala.

Peacekeeping hat folgende Grundvoraussetzungen:

– den politischen Konsens aller am Konflikt Beteiligten über Mandat und Durchführung des Einsatzes, zum Beispiel die Überwachung von Waffenstillständen;

– ein unparteiliches und durchführbares Mandat nach Kapitel VI der UN-Charta;

– die Durchführung von Maßnahmen des gesellschaftlichen Wiederaufbaus der Friedenskonsolidierung;

– ein einheitliches UN-Kommando für alle Verbände;

– den Ausschluß von Gewaltanwendung, es sei denn zur individuellen Selbstverteidigung;

– den parallelen Druck auf die Konfliktparteien, aber nicht militärisch, sondern diplomatisch und über Sanktionen.

Praktisch arbeiten „Peacekeeper“ eng mit humanitären Hilfswerken zusammen. Ihre Anwesenheit bietet einen gewissen Selbstschutz gegen Angriffe durch Marodeure und Plünderer. Sie sind aufgrund der leichten Bewaffnung nicht in der Lage, ihr Mandat selbständig zu ändern und Kampfhandlungen einzugehen. Ohne sie allerdings würde manche Nichtregierungsorganisation nicht ins Konfliktgebiet gehen, um Hilfe zu leisten.

Das Mißtrauen unter den RadikalpazifistInnen gegen Peacekeeping hat allerdings einen verständlichen Grund. Gerade in der UNO-Praxis der letzten Jahre hat es fatale Vermischungen von Peacekeepings und Kampfeinsätzen gegeben. Die Ergebnisse waren verheerend. Man schickte statt eigenständiger nichtmilitärischer UNO-Einheiten militärische Verbände einzelner Truppenstellerstaaten. Weil sie dem klassischen Militär entstammten, erwartete man von ihnen Wunderdinge, die nicht zu leisten waren. In Bosnien sandte man sie als „Peacekeeper“ in eine Situation, in der kein Frieden, sondern grausamster Krieg herrschte. Weitgehend unvorbereitet, teilweise schlecht ausgerüstet und versehen mit falschen Lagebeurteilungen wurden sie allein gelassen. Mitten im Einsatz wurde, weil die Politik versagte, ihr Mandat geändert, ohne daß sie darauf vorbereitet waren. Das schlechte Bild, das sie wegen des unmöglichen Auftrags abgaben, mußte dafür herhalten, reguläres Nato-Militär zu entsenden. In Somalia lief der großangelegte Kampfeinsatz zur Friedenserzwingung ähnlich desaströs. Und dennoch: Hätte es nicht 400, sondern 4.000 „Peacekeeper“ in Srebrenica gegeben, die schlimmsten Massaker hätten wohl nicht stattgefunden.

Heute sagen die meisten Verantwortlichen bei UNO, OSZE und sogar viele bei der Nato vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen der letzten Jahre, daß eine strikte Trennung von Einsätzen nach Kap. VI und Kap. VII notwendig und möglich ist. Es geht das eine oder das andere, nie beides gleichzeitig. Der Begriff „Friedenserzwingung“ gerät zunehmend in Kritik: entweder es gibt Frieden oder Erzwingung, also Krieg. Und es nimmt das Bewußtsein zu, daß Peacekeeping besser von eigenständigen, speziell ausgebildeten, nicht vom Militär gestellten Verbänden betrieben wird.

Die Grünen haben Peacekeeping im Bundestagswahlprogramm befürwortet, eine deutsche Beteiligung aber ausgeschlossen. Sie wurde als Türöffner für die Bundeswehrplanung der Bundesregierung angesehen. Dieses Argument ist heute hinfällig. Die Bundeswehr ist auch ohne grüne Schützenhilfe längst beim Kampfeinsatz angelangt. Deshalb dreht sich die Argumentation nun um: Peacekeeping ist das nichtmilitärische, zivilgesellschaftliche Gegenmodell zum Bundeswehreinsatz. Es ist der praktische Kern einer wirkungsvollen antimilitaristischen Strategie. Die Zivilgesellschaft kann so unabdingbare Ordnungsfunktionen in Konfliktgebieten leisten, die sie bisher dem Militär überlassen hat. Das Militär hat eine Möglichkeit weniger, sich nach dem tendenziellen Verlust des klassischen Verteidigungsauftrages über angeblich humanitäre Interventionen neue Legitimation zu beschaffen, um sich als Apparat erhalten und weitergehende Operationen unternehmen zu können. Die letzte Kommandeurstagung der Bundeswehr hat gezeigt, daß Nato und Bundeswehr darauf drängen, ihr Einsatzgebiet auf alle Weltreligionen und auf beliebige Zwecke auszudehnen. Die pazifistische Gegenstrategie kann nicht lauten, sich nun aus der Konfliktmoderation vor Ort in Krisen- und Kriegsregionen herauszuhalten, weil man damit auf die schiefe Bahn Richtung Militäreinsatz geraten könnte. Damit würde sie nur den Raum öffnen, in den das Militär hineinstoßen will. Es kommt darauf an, dem Militär den Raum durch zivilgesellschaftliche Maßnahmen zu verstellen. Ohne gut ausgebildete, internationale Peacekeeping-Einheiten kann das nicht gelingen. Ludger Volmer

Der Autor ist ehemaliger Sprecher der Partei und einer der Autoren des „Linken-Antrages“ für den Parteitag