Südafrikas Stunde der Wahrheit naht

■ Präsident Mandela benennt die Mitglieder der Wahrheitskommission, die die Apartheidära untersuchen soll

Johannesburg (taz) – Die frohe Botschaft erreichte Desmond Tutu im Flugzeug von Kairo nach New York: Der streitbare Erzbischof von Kapstadt und Friedensnobelpreisträger ist Vorsitzender der sogenannten Wahrheitskommission, die „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ während der Apartheid in Südafrika aufklären soll. Er sei zutiefst gerührt, erklärte Tutu gestern nach seiner Ankunft in New York und warnte, daß Versöhnung „nicht billig“ sein werde. Zu Tutus Stellvertreter berief Mandela den Methodistenpfarrer Alex Boraine, von 1986 bis 1994 Leiter des „Instituts für Demokratie in Südafrika“ (Idasa) in Kapstadt.

Große Überraschungen gab es nicht mehr, denn Mandela war in der vergangenen Woche bereits eine Liste mit 25 Namen überreicht worden. Eine von Mandela eingesetzte Kommission hatte Mitte November insgesamt 46 Kandidaten unter mehr als 300 ausgewählt und auf ihre Eignung hin befragt. Übrig blieben danach 25, darunter auch ehemalige Anhänger des Apartheid-Systems.

Jetzt besteht die endgültige 17köpfige Kommission neben Tutu aus sechs Frauen und zehn Männern, vor allem Menschenrechtsanwälte, Psychologen und Kirchenvertreter – zum Beispiel der Anwalt Richard Lyster, seit 1990 Leiter des „Zentrums für Rechtshilfe“ in Durban; oder die ehemalige Präsidentin der Frauenorganisation „Black Sash“, Mary Burton. In zwei Fällen wich Mandela von der Vorauswahl ab: Er berief den Methodistenpfarrer K.M. Mqojo aus Kwa Zulu/Natal und den Anwalt Denzil Potgieter in die Kommission, obwohl sie nicht zu den Anhörungen geladen waren.

Wirklich umstritten ist nur Rechtsanwalt Chris de Jager, ehemaliges Parlamentsmitglied für die rechtsextreme Konservative Partei. Er sitzt heute für die rechte Freiheitsfront im „Volksstaatrat“ – einem Gremium mit Verfassungsrang, das für einen unabhängigen Burenstaat kämpft. Schon de Jagers Nominierung in der Vorauswahl war heftig kritisiert worden. Als weiterer ehemaliger Anhänger des Apartheid-Regimes wurde Wynand Malan berufen. Er hatte die für die Einführung der Apartheid verantwortliche Nationale Partei jedoch schon unter Präsident P.W. Botha verlassen und die „Nationale Demokratische Bewegung“ gegründet, die später in der apartheidfeindlichen Demokratischen Partei aufging.

Die Nationale Partei hätte gern ein paar andere Namen in der Kommission gesehen, erklärte der ehemalige weiße Staatschef und heutige Vizepäsident F.W. de Klerk prompt. „Dann wäre die Kommission ausgewogener.“ Aber seine Partei werde den Prozeß nicht blockieren.

Die Kommission wird ihre Arbeit Anfang 1996 aufnehmen und hat dann 18 Monate Zeit. Ihr Mandat erstreckt sich auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit zwischen dem 1. März 1960 – als der Afrikanische Nationalkongreß (ANC) verboten wurde – und dem 5. Dezember 1993 – als ein gemischtrassiger Übergangsrat an die Stelle der weißen Regierung trat. Wer vor ihr aussagt, tut dies freiwillig und kann für politische Verbrechen Amnestie beantragen. Kordula DoerflerKommentar Seite 10