Weihnachten ganzjährig

■ Alle Jahre wieder: Krippenfiguren / Diesmal voll im Trend: Der eiserne Adventskranz

Für Susann Römann ist der Weihnachtsmann ein Ossi. Der beste Beweis: Wenn die Abteilungsleiterin der weihnachtlichen Crusoe-Halle in der Böttcherstraße ihre Bestellungen überschlägt, kommt sie auf runde 90 Prozent Ostware. Was nicht von den nahen thüringischen Herstellern stammt, liefert der ferne Osten. Thailand, Taiwan, Philippinen oder China. Allerdings betont Susann Römann: „Zu 80 Prozent führen wir deutsche Ware.“

Trotzdem: Ohne asiatische Ware ist die deutsche Weihnacht schon lange nicht mehr denkbar. Den Wünschen der Kundschaft gibt auch Susann Römann nach. Seit fünf Jahren gehört beispielsweise die Glaskugel mit eingebauter Winterszene zum Übersee-Sortiment. Ein Schubs, das Ding dreht sich zur Kling-Glöckchen Melodie – und die lodenbemäntelte Kundin freut sich über das kleine Schneegestöber im Glas.

Vor sowas verblassen natürlich die schlichten chinesischen Strohsterne. Die weihnachtlichen Ursymbole sind mittlerweile ohnehin das typische Billigprodukt der Branche geworden; ebenso mancher frisch eingeflogene asiatische Lack-Erzengel. Den allerdings läßt die Chefin gar nicht erst ins Böttcherstraßen-Regal. Seit ein Import-Nußknacker sich als brüchiges Wackelelement entpuppte, ist verschärft deutsche Traditionsarbeit angesagt. „Wegen der besseren Qualität.“

Die kommt in Zinn gegossen, in Holz geschnitzt und in Spänen gesteckt. Schlicht gefärbt und Natur, das ist der Trend – sofern es den im Weihnachtsgeschäft überhaupt gibt. Schließlich rangieren Krippefiguren und Rauschgoldengel mit Wachsgesicht schon seit hundert Jahren auf den vorderen Listenplätzen für Weihnachtsschmuck. Da hat sich über die Jahre nur wenig bewegt.

Nach Neuigkeiten befragt, muß Susann Römann erst nachdenken, bevor ihr die eisernen Adventskranzständer einfallen. Die Erklärung für den ungeheuren Bedarf an Althergebrachtem hat sie schneller parat. „Wenn die Kinder aus dem Haus gehen, wollen sie oft die alte Weihnachtskrippe mitnehmen“, sagt die Böttcherstraßenfrau. Sie hat schon manche Mutter beraten. Weihnachtskrippen sind Susann Römanns Lieblingsthema.

Krippen bringen sammelnde Stammkundschaft. Erstens. Das ist gut, denn die Wirtschaftsflaute geht schließlich auch an der Böttcherstraße nicht spurlos vorbei. Aber zweitens liegen Krippenfiguren und ihre SammlerInnen der Weihnachtsexpertin Römann auch deshalb am Herzen, weil sie mit ihnen eine gewisse Leidenschaft teilt: für's Schöne. Für den handgeschnitzten Josef beispielsweise aus dem Schweizer Hause Huggler. Der ist ihr Schwarm, da steht sie zum Preis, ohne mit der Wimper zu zucken: Rund 400 Mark kostet der handgroße Josef, ganz ohne Maria und Christuskind. Die Kernmannschaft jeder Qualitätskrippe wird nämlich getrennt verkauft.

Das bedeutet für KundInnen schöpferischen Spielraum. Die Hersteller der handgearbeiteten Sievers-Hahn-Figuren aus der Lüneburger Heide könnten das bei ihrem Konzept eingeplant haben. Räumt man das Jesulein und seine Eltern im Januar in den Schrank, bleibt eine komplette Arche Noah-Besatzung übrig. Wie praktisch. Die könnte ganzjährig stehen.

ede