Gewortete Gefühle

■ Ach, die Liebe! Roswitha Ziegler hat einen Filmessay darüber gemacht: "Je länger je lieber", So., 23.25 Uhr, ZDF

Was war das noch gleich, Liebe? War sie wie ein ausbrechender Vulkan, war sie wie ein Blitz? Wie sah sie verflixt noch mal aus, Wolken, Felder, Bäume, Seen, solch ein Kram? Ach, die Liebe, oje!

Meistens ist es ja doch irgendwie tragisch. Da ist die Schildkröte, die ziellos einen Herrenschuh anbalzt, immer wieder, tacktacktacktack. Dann gibt es einen Professor, der hat einen Haufen Maschinen, die Problemgespräche auf wilden Kurven abbilden. Dann kann er genau sagen, wie lange es noch dauert bis zum Crash. Synchronität, die uns zusammenbringt, bringt uns nachher um, sagt er.

„Was ist das, was zieht, zerrt?“ – diese Frage ließ die Autorin nicht ruhen. Fast genauso schwierig wie die eine Frage ist die, was denn eigentlich ein Fernsehessay ist. Ein bißchen wie ein Ballett, würden wir denken, hier ein Innenbild, dort ein Recherchefrüchtchen, schön subjektiv vermengt. Roswitha Ziegler mengt vor allem viele Unscharf-Schnitzelchen herein, was man aus Experimentalstücken so kennt. Blauer Himmel spiegelt sich im Wasser, jede Menge baumbestandene Seen. Dann gibt es einen schönen Prinzen aus Holz und einen Briefpartner, von dem man nicht weiß, ob es ihn gibt. Alles ein Traum mit der Liebe, will uns das wohl sagen. Alles nicht so einfach, schon gar nicht zu zeigen. Dabei gäbe das Medium eine Masse her. Eben sitzen bei „Fliege“ Paare, die es noch einmal versuchen, und RTL2 hat doch neulich flächendeckend Herz geklebt. Aber im Ernst: Einem Ding, dem man die ganzen Jahrhunderte mit den dummen Worten nicht beikam, dem müßte man doch mit der Fernsehkamera zu Leibe rücken können, mit ihrem genauen Blick für die Oberfläche, mit der Freiheit, die sie uns läßt, uns ein Bild zu machen in den Mustern, die sie nachmalt. Soviel ist von Blicken die Rede, soviel tun die Augen zur Liebe. Aber, ach, Roswitha Ziegler traut den Blicken nicht soviel, traut lieber den Worten, an denen sie doch verzweifelt.

Mit langsamer ruhiger Stimme spricht sie lange Wortschlangen auf die Tonspur. Ganz traurig machen die, weil sie beim Tauchen nach Worten an den Boden geraten ist, dunkel ist es da, und leer, und es ist doch nicht der Grund. „Es ist wichtig, daß der Mensch die Möglichkeit hat, seine Gefühle zu worten“, sagt ein Literaturprofessor, der viel sagen kann über die Liebe. Aber als die Autorin ihn fragt, wie es denn bei ihm selbst so aussieht mit der Liebe, ist er sprachlos. Da lächelt er, „die Frage pulverisiert mich“, sagt er und schaut sehr, sehr traurig.

Das sind die beeindruckendsten Szenen: Wenn die Dokumentaristin all die Blitz- und Vulkanforscher und all die Herren über die Liebesdetektoren nach sich selbst fragt. Keine Worte, keine Bilder, Gedanken, die leer sind. Darum ist es so traurig. Wo das Glück da ist, sieht man es daran, daß es keine Frage gibt. Das Unglück dagegen durchdringt das Warum. Die Filmemacherin fragt ihre alten Eltern nach der Liebe. „Da braucht man dann nichts mehr zu sagen“, sagt die Mutter, „da ist das automatisch.“ Hätte das Kind nur gehört. Lutz Meier