Das Übel verkleinern

Was passiert, wenn die Zusammensetzung des Benzins verändert wird? Eine einfache Frage, die eine komplizierte Antwort erfordert  ■ Von Jochen Siemer

Benzin verbreitet ein Aroma, das höchstens in den Chefetagen der Mineralölkonzerne gefällt. Von dort kam denn auch einst der sehr originelle Vorschlag, wie diesem Problem beizukommen sei: Die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände berichtete unter der Überschrift „Schwachsinn Total“ von dem Plan der französischen Tankstellenkette gleichen Namens, die Geruchsbelästigung durch Kohlenwasserstoffe mittels Parfümierung einzudämmen. Dieselkraftstoff sollte nach Früchten, Superbenzin wie Vanille duften.

Für die Gesundheit wäre das olfaktorische Ablenkungsmanöver ausgesprochen kontraproduktiv. Wenn Benzin nicht mehr wie Benzin stinkt, wird es vermehrt eingeatmet und kann somit noch ungestörter seine gefährliche Wirkung entfalten. Und verglichen mit den Verheerungen, die der Schmierstoff westlicher Wohlstandskultur im menschlichen Organismus und in der gesamten Umwelt anrichtet, ist sein unangenehmer Geruch eher ein marginales Problem.

Wer in diesem Bereich wirklich etwas erreichen will, der muß im wahrsten Sinne des Wortes an die Substanz gehen und deren Komponenten neu zusammenstellen. Welche Folgen das haben könnte, hat vor einiger Zeit die „Arthur D. Little Unternehmensberatung“ im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) untersucht.

An der Schadstoffbilanz zu drehen ist aufwendig

Die Antwort ist einigermaßen kompliziert. Was an der Tankstelle aus den Zapfpistolen sprudelt, ist nämlich etwas ganz anderes als das, was bei Tankerkatastrophen die Strände verwüstet. Benzin ist kein Natur-, sondern ein Raffinerieprodukt und durchläuft einen ausgefeilten Produktionsprozeß, bevor es freien Bürgern zu freier Fahrt verhilft. Es läßt sich allerdings – mit entsprechendem Aufwand – einiges an der Schadstoffbilanz des Kfz-Verkehrs drehen. Im Mittelpunkt aller Anstrengungen stehen dabei die Kohlenwasserstoffe, allen voran das krebserregende Benzol. In der Europäischen Union gilt hierfür seit Oktober 1989 ein Grenzwert von 5 Volumenprozent. Die Bundesregierung machte den löblichen Versuch, dieses Limit auf 1 Prozent herunterzufahren, ist damit aber 1991 gescheitert. Zu einem Alleingang konnten sich die Bonner, wie es so oft der Fall ist, nicht durchringen. In Italien schloß man immerhin eine freiwillige Vereinbarung über einen Grenzwert von 3,8 Prozent.

Alles in allem hinken die Europäer dem umweltpolitisch Möglichen hinterher. In den USA ist man schon viel weiter: Im Land des unbegrenzten Individualverkehrs ist seit 1992 für weite Gebiete die Anreicherung mit sauerstoffhaltigen Komponenten („Oxyfuel“) zur Verringerung des Kohlenmonoxidausstoßes gesetzlich vorgeschrieben – allerdings in der Regel nur in den smogalarmträchtigen Wintermonaten. Ab 1995 müssen in bestimmten Regionen mit besonders schwerer Ozonbelastung alle Kraftstoffe „reformuliert“ sein und dürfen dann höchstens noch 1 Volumenprozent Benzol sowie deutlich reduzierte Mengen von organischen Schadstoffen und Stickoxiden enthalten. Alles in allem sollen bis zum Jahr 2000 rund drei Viertel der US-Kraftstoffverkäufe aus reformuliertem Benzin oder Oxyfuel bestehen.

Die Reformulierung, so resümiert die UBA-Studie, hätte auch für Europa deutliche Verbesserungen zur Folge. Allerdings gilt dies hauptsächlich für Fahrzeuge ohne Katalysator – wenn der Schadstoff- filter schon eingebaut ist und funktioniert, reduziert er den Giftausstoß um bis zu 90 Prozent, so daß sich der Effekt der Reformulierung in weit engeren Grenzen hält. Trotzdem: Bevor die europäische Motor-Armada gänzlich auf Kat- Betrieb umgestellt ist, dürfte noch einige Zeit in den EU-Ländern vergehen.

Wirklich sichere Prognosen lassen sich allerdings nicht anstellen, weil zu viele Unbekannte im Spiel sind. Unterschiedliche Rohölqualitäten stellen beispielsweise auch stark divergierende Anforderungen an die Weiterverarbeitung: Nordseeöl weist geringe Schwefel-, dafür aber hohe Benzolkonzentrationen auf. Wenn man die Benzolwerte verbessern will, fällt bei der Raffinierung aber weniger Wasserstoff an, der wiederum zur Entschwefelung von Dieselöl benötigt wird. Dieser Effekt – lediglich eine von vielen Variablen – läßt sich nur mit einigem Aufwand und entsprechenden Kosten ausgleichen.

Beim schwarzen Gold aus dem arabischen Raum verhält es sich genau umgekehrt: Der Benzolgehalt ist relativ gering, die Schwefelkonzentration hingegen hoch. Ein hoher Schwefelgehalt wiederum beeinträchtigt den Wirkungsgrad von Katalysatoren und muß schon aus diesem Grund begrenzt werden. Auch das kostet Geld.

Weniger Schadstoffe, geringere Wirkung

Wie man es also dreht und wendet: Die Herstellung von halbwegs weniger umweltschädlichem Benzin wird den Produktionsaufwand und damit die Kosten erhöhen. Und trotzdem bleiben zwei große Pferdefüße: Zum einen sinkt bei den Bemühungen zur Schadstoffreduzierung gleichzeitig auch der Wirkungsgrad des Treibstoffs, und der Verbrauch steigt dementsprechend an. Wie sich diese gegenläufigen Effekte unterm Strich auswirken, hat bislang noch niemand berechnet.

Zum anderen würde eine Reduktion des Schadstoffgehalts von Benzin einen höheren Energieverbrauch in den Raffinerien nach sich ziehen. Und das wiederum, so lernt man neuerdings schon in der Schule, hat gesteigerte Kohlendioxidemissionen und damit eine Verschärfung des Treibhauseffekts zur Folge.

Wenn man alles technisch Machbare auch tatsächlich macht, so schätzt Arthur D. Little, erhöht sich der CO2-Ausstoß der Raffinerien um rund 7 Prozent oder 106 Millionen Tonnen pro Jahr. Schwacher Trost für die Benzinkosmetiker von „Total“: CO2 ist wenigstens geruchlos.