Ein, zwei, viele Grabstätten

Bolivien sucht die Leiche des Che Guevara  ■ Aus La Paz Thomas Pampuch

Drei Dinge treiben die Bolivianer um in diesen Tagen. Erstens die Kommunalwahlen am kommenden Sonntag; zweitens der Tod von Max Fernández, dem größten Bierbrauer des Landes und einer der populärsten Politiker Bolivens, der am letzten Sonntag auf seiner Wahlkampftour in der Nähe der berühmten Zinnminen von Llallagua mit dem Flugzeug abstürzte. Und drittens die Frage, wo und in welchem Zustand sich die Leiche Ernesto „Che“ Guevaras befindet.

Während der Wahlkampf aufgrund des Todes und der Trauerfeierlichkeiten für den Chef der (Mit-)Regierungspartei UCS (Unión Civica Solidaridad) unterbrochen wurde, geht die Suche nach den Überresten des Che unvermindert weiter – und jeden Tag tauchen neue Gerüchte auf. Seit seinem gewaltsamen Tod in La Higuera im bolivianischen Südosten vor 28 Jahren ist das Bild Che Guevaras nicht mehr so regelmäßig in der Presse erschienen wie jetzt – wenn auch die Universität von La Paz seit Jahren mit einem riesigen Wandgemälde des Comandante geschmückt ist.

Ausgelöst wurde die fieberhafte Suche nach den Reliquien des Guerillero vor einer Woche, als der pensionierte General der bolivianischen Armee, Mario Vargas Salinas, der 1967 bei der Gefangenennahme Che Guevaras dabei gewesen war, in der New York Times verkündete, der Comandante sei nach seiner Erschießung im nahen Vallegrande begraben worden.

Seitdem vergeht kaum ein Tag, an dem nicht eine neue Theorie über den Verbleib der Überreste des großen Revolutionärs in der lateinamerikanischen Presse ventiliert wird. Liegen sie nach der Version von Vargas Salinas unter der Rollbahn des Flughafens von Vallegrande – allerdings ohne die Hände, die man zu Identifikationszwecken abgeschnitten hatte –, so behaupten offizielle bolivianische Militärstellen, Che sei nach seiner Ermordung verbrannt und seine Asche über dem Urwald verstreut worden.

Nach der Version des brasilianischen Arztes und Reporters Reginaldo Ustáriz, der das Ende von Che persönlich miterlebte, wurde die Leiche auf Befehl der Regierung aus einem Helikopter geschmissen. Nach dem Zeugnis eines anderen, inzwischen gestorbenen brasilianischen Reporters, José Stacchini, der 1967 für eine Zeitung in São Paulo über die Guerilla von Nancahuazu berichtete, hat sich dagegen damals die CIA der Leiche Che Guevaras bemächtigt. Am 11. Oktober 1967 sei sie mit einer Hercules 130 der US Air Force über Panama in die USA geschafft worden.

Neben den Vermutungen darüber, wo die Leiche heute ist, hat inzwischen auch ein Gezerre darüber begonnen, wo sie denn, falls sie gefunden wird, endgültig bleiben soll. Für die Angehörigen des Che scheint diese Frage eher nebensächlich. „Wichtig ist nicht, wo er begraben ist, sondern wo man seine Ideen am besten versteht“, erklärte etwa Che Guevaras ältester Enkel in Havanna. „Ob er hier begraben ist oder nicht, für die Kubaner wird Che immer derselbe bleiben.“ Und Aleida, eines seiner fünf Kinder, erinnert an den Ausspruch ihres Vaters: „Donde un hombre cae, ahi queda“ (Wo ein Mann fällt, da bleibt er). Das käme dem Wunsch des Bürgermeisters von Vallegrande, Hoover Cabrera, entgegen, der die Reste des Che offiziell in seinem Ort begraben sehen möchte und dazu ein Denkmal für den Guerillero errichten will. Genau das aber möchte der Abgeordnete der argentinischen Mitte- Links-Partei Frepaso, Alfredo Bravo, mit Che in Buenos Aires veranstalten. „Der Doktor Guevara hat immer als wahrer Idealist gehandelt. Warum soll er als Sohn dieses Landes nicht in seiner Heimaterde ruhen?“

Da sich Kuba, die zweite Heimat Che Guevaras – und der einzige Ort seines wirklichen Erfolges als Revolutionär – bedeckt hält, wird die Leiche des Comandante, vorausgesetzt, man findet sie, wohl entweder im Land seiner Geburt oder im Land seines Todes die letzte Ruhe finden. Dem Dr. Che Guevara wäre die Frage vermutlich ziemlich gleichgültig.