■ Bonn-apart
: Wie man die Staatsfinanzen auch sanieren kann

Bundestagsabgeordnete erhalten an Tagen, an denen das Parlament tagt, gewichtige Hauspost. Von ihren parlamentarischen Geschäftsführern. Der Brief der SPD sah am Donnerstag rot aus. Er verweist auf die namentlichen Abstimmungen und die entsprechende Uhrzeit, damit wenigstens dann die Abgeordneten Präsenz beweisen.

Zu diesen Zeiten strömen sie dann alle zum Plenarsaal, stehen ungeduldig herum, um nach der Stimmabgabe sogleich wieder zu verschwinden. Was wie abzustimmen ist, dazu helfen ihnen eifrige Fraktionsassistenten. Die stehen neben den Urnen und halten mahnend die jeweils gewünschte Ja- oder Nein-Stimmkarte hoch, damit niemand den Fraktionszwang vergißt.

Nach der Zeremonie verringert sich die Zahl der präsenten Abgeordneten dann wieder schlagartig auf die Anzahl der Saaldiener im Haus.

Am Donnerstag abend wurde am Ende der Tagesordnung über die Risiken des Atommüllagers Morsleben gestritten. Zu Beginn der Aussprache waren zwei CDUler, vier SPDler, drei Liberale, sechs Grüne und vier von der PDS vertreten.

Kaum besser war's zuvor, als über das Ozonloch beraten wurde, über Spielzeugexporte aus chinesischen Straflagern oder über Altschulden im Osten. Schade nur, es war keiner da, der daraus was lernen konnte. Denn im Regelfalle bleiben die jeweiligen Fachausschußmitglieder unter sich und die wissen eh alles. Manchmal erscheinen die Redner gleich gar nicht und geben ihre Texte gleich zu Protokoll – eine Art indirekter Parlamentsauflösung. Aber das ließe sich ändern. Die Lösung des Problems liegt in den erwähnten roten Briefen.

Verpassen nämlich Abgeordnete eine namentliche Abstimmung, müssen sie Strafe zahlen. 150 Mark pro Nase und versäumtes Votum fließen dann in die Bundeskasse. Zu jedem Beschluß könnten solch namentliche Abstimmungen beantragt werden. Ach, würde das doch öfter geschehen! Es ergäbe diszipliniertere Volksvertreter oder wenigstens richtig Geld.

Rechenbeispiel: Im Durchschnitt schwänzen 600 Abgeordnete mindestens fünf Entscheidungen pro Sitzungstag. Macht fünf mal 600 gleich 3.000 „Strafzettel“. Das sind immerhin 450.000 Mark, pro Sitzungswoche zwei Millionen – damit ließe sich die Diätenerhöhung finanzieren.

Einziger Haken: Wenn sich vorab Abgeordnete entschuldigen, bleibt ihnen derzeit die Strafe erspart. Aber dieses Schlupfloch könnte man ja per Gesetz abschaffen. Vielleicht dann, wenn mangels Masse die Mehrheit gerade günstig ist. Aber dann sind bestimmt alle da. Holger Kulick