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Gefängnisstrafen für Blutplasma-Panscher

■ Blutspenden waren nicht ordnungsgemäß auf HIV-Infektionen getestet worden

Koblenz (taz) – Die „Blutpanscher“ der UB-Plasma Labor GmbH wandern ins Gefängnis. Die 9. Strafkammer am Landgericht in Koblenz, unter Vorsitz von Richter Alsbach, verurteilte gestern den Geschäftsführer der Firma, Ulrich Kleist, und seinen Kontrolleiter Dieter Stüer zu je vier Jahren Gefängnis. Der aus Rumänien stammende Laborarzt Alexander Kressler kam mit drei Jahren davon.

Die medizinisch-technische Assistentin, Gunhild Jacobus, wurde zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Sie hatte als einzige ein umfangreiches Geständnis abgelegt. In seiner mehr als dreistündigen Urteilsbegründung führte Richter Alsbach aus, daß es die Kammer nach 96 Verhandlungstagen als erwiesen ansehe, daß die Angeklagten „gemeinschaftlich und fahrlässig handelnd“ gefährliche Arzneimittel in den Verkehr gebracht und so in mindestens 144 Fällen die Körperverletzung von Menschen billigend in Kauf genommen haben.

Bei den 144 Fällen handelt es sich um Lieferungen aus dem Blutplasma eines Spenders mit der Registriernummer 2505 und um Blutplasma eines Spenders der rumänischen Tochterfirma Roma, das von UB-Plasma an Kliniken und Pharmafirmen ausgeliefert wurde, obgleich es mit HIV-Viren verseucht war.

Mindestens zwei Patienten in Kliniken in Frankfurt/Main und in Fulda wurden nach Transfusionen mit diesem Plasma HIV-positiv getestet und verstarben nach wenigen Monaten – allerdings, so Richter Alsbach, an ihren „Grunderkrankungen“.

Bei UB-Plasma in Koblenz wurde die HIV-Belastung des Spenders mit der Nummer 2505 nicht erkannt, weil die Firma aus Kostengründen das Blut mehrerer Spender illegal gemeinsam testete. Das sogenannte Poolen verringert die Sensitivität der gängigen HIV- Testverfahren und sei deshalb – so die vom Gericht geladenen Experten – eine „unzulässige Laborpraxis“.

Gleichfalls aus Kostengründen wurde bei UB-Plasma auf die Quarantänelagerung des Plasmas verzichtet, mit der das sogenannte diagnostische Fenster hätte geschlossen werden können. Falls sich nämlich ein Spender erst unmittelbar vor der Blutprobe mit HIV infiziert hat, ist ein HIV-Nachweis im Blut erst nach „drei bis acht Wochen“ möglich. Klaus-Peter Klingelschmitt

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