Verkehrter Wecker!

■ Fürs Knödeln gibt's Preise, fürs Koksen gibt's Knast

Das nach der finnischen Ortschaft Häme bekannte Gefühl der Genugtuung, das die Deutschen gemeinhin ihr gesundes Rechtsempfinden nennen, will sich nicht einstellen, wenn man von der Verhaftung des bayrischen Mundartsängers Konstantin Wecker hört, der mit seinem „Willy“ eine ganze Generation linker Lehrer prägte.

Denn keine SoKo zur Verhütung des Schlimmsten in Literatur und Musik zog Konstantin Wecker vorläufig aus dem Verkehr, sondern bloß banal das Rauschgiftdezernat. Die Meldung der Nachrichtenagentur Reuter, Wecker habe in diesem Jahr rund 700 Gramm Kokain „unbefugt erworben“, führt nicht zu Erschütterung, sondern nur zu der Frage: Wie und wo hätte er so viel Koks auch befugt erwerben sollen?

Und die gleichermaßen phrasenhafte wie weltfremde Behauptung von dpa, bei Kokainpulver handele es sich um eine „Modedroge“ (Meldung um 18.04 Uhr) bzw. sogar um eine „Nobeldroge“ (19.08 Uhr), läßt einen dann nur noch unwirsch den Kopf schütteln: Ach was!

Denn den Nobelpreis hatte Konstantin Wecker bisher immerhin noch nicht eingesackt; statt dessen aber, erst im September diesen Jahres, den mit 15.000 Mark gesüßten Kurt-Tucholsky- Preis – ganz so, als sei Tucholsky dafür bekannt gewesen, daß er, offenen Hemdes und mit braungebrannter, goldkettchenbehangener Brust, heftig schwitzend und stiernackig am Klavier gesessen und brünftig pathetische und feuchte Lieder gesungen hätte.

Die Begründung der Jury sparte nicht mit Öl: „Kämpferische Haltung gegenüber Rassismus und Fremdenhaß“, „engagiertes Eintreten für die Belange von Minderheiten“, na klar, was denn sonst.

Groß ist die Zahl der guten Gründe, Wecker einmal am Öhrchen zu ziehen: Mit seinem „Freund Rudolf Scharping“ saß er, wenn man ihm denn glauben will, nächtens rotweintrinkend beisammen und „philosophierte“ – ach, wer da hätte dabei sein dürfen, wie dem verhärmten Sparkassenfilialleiter ganz schwindelig wurde von so viel Männlichkeit und exzessivem Leben, mit dem Wecker prahlt ohne Unterlaß und Ende.

Daß der Brüllo Konstantin Wecker als Künstler geehrt, der Kokainist Wecker aber als Krimineller in den Knast getan wird, paßt gut zu einem Land, in dem immer und grundsätzlich das Falsche passiert (und das Richtige, wenn überhaupt einmal, stets nur aus den verkehrtestmöglichen Gründen): Deutschland ist kopfmäßige Diaspora. Wiglaf Droste