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Winterschlaf unterm Damoklesschwert

■ St. Pauli gegen Karlsruhe: leistungsgerechtes 1:1 noch vor der Pause Von B. von Stuckrad-Barre

Das war kein Spielfeld, das war ein Kartoffelacker! Kein Wunder, daß das runde Leder sich da auf ganz eigene Wege begab und so recht nicht dem Willen der Kiez-Kicker folgen wollte. Obwohl sie zumeist goldrichtig standen, hauten sie doch so manches Mal schlicht über den Ball hinweg.

Mit letzter Kraft retteten sich die Paulianer in die Winterpause, jenseits von gut und böse, im Mittelfeld. Die sprichwörtliche „rote Laterne“ ist aber nur vier ganze Punkte entfernt. Daß da mal nichts anbrennt und der Verein von der sündigsten Meile der Welt nicht alsbald dem Ruf einer „Fahrstuhlmannschaft“ gerecht wird und, schneller als ihm lieb ist, das Zeitliche in der obersten Spielklasse segnet. Doch man hat sich teuer verkauft; seine chronische Heimschwäche sollte der FC St. Pauli allerdings langsam mal abstellen.

Chaos dann in der siebten Minute: Flanke von Metz, Kirjakow ließ die Abwehrreihen der Hamburger einmal mehr nicht gut aussehen. Das heillose Durcheinander und auch der Umstand, daß man seitens des FC St. Pauli kein wirksames Gegenmittel gegen die agil beginnenden Badener fand, waren die Gründe, daß der Russe fast unbehindert einlochen konnte. 0:1! In der 15. Minute war es wieder Kirjakow, der nur durch den – wie ja fast immer – glänzend aufgelegten Thomforde (dem die Nordkurve immer wieder seinen Vornamen zurief – Superstimmung!) mit einer Glanzparade an seinem aus Hamburger Sicht „unseligen“ Handeln gehindert werden konnte.

Dann über weite Strecken ein schier unerträgliches Gestochere im Mittelfeld. Langsam fanden die St. Paulianer dann aber doch noch zu ihrem Spiel und erkickten sich einige Möglichkeiten. Nowotny säbelte, eindeutig nicht den Ball spielend, Becker um, als der gerade ungestört auf den Kasten donnern wollte. Jubel bei den Fans, denn alle dachten: klarer Elfmeter. Aber es kam, wie es kommen mußte: wie schon eine Woche zuvor beim Lokalderby gegen den HSV gab es Elfmeter-Pech. Diesmal nur umgekehrt – ungerechte Fußballwelt!

Doch die Mannen von Coach Uli Maslo ließen sich weder unterkriegen noch aus dem Takt bringen, den sie mittlerweile gefunden zu haben schienen. Aus gut fünfzehn Metern war es nach einer halben Stunde Driller, der nach guter Vorarbeit von Scharping kein Pardon kannte und mit einem Sonntagsschuß den verdienten Ausgleich besorgte. Dann gab es noch einige weitere gefährliche Situationen, Scharping und Sobotzik konnten jedoch nicht reüssieren, da gab es kein Vertun. Zur Pause hieß es 1:1.

Das belanglose Gekicke nach dem Wiederanpfiff konnte einen Steinwurf von der Reeperbahn entfernt niemanden vom Hocker reißen, bis in der 67. Minute unter dem Jubel der vielen Tausend Zuschauer Publikumsliebling Leonardo Manzi eingewechselt wurde. Sobald er in die Nähe der Kugel kam, ging ein Raunen durch die Ränge.

Nicht unerwähnt soll bleiben, daß der Karlsruher Bähr in der 70. Minute vorzeitig zum Duschen geschickt wurde. Zahlenmäßig war St. Pauli jetzt in der Überzahl und konnte sich in der Folge mehr und mehr Spielanteile sichern, jedoch schlug sich die Überlegenheit nicht in einem weiteren Treffer nieder, das war ihnen nicht vergönnt.

Zehn Minuten vor Schluß traf der gestern mit dem nötigen Selbstvertrauen zu Werke rückende Driller nur das Gebälk, woraufhin Manzi, der gestern einfach kein Zielwasser getrunken hatte, mit einem artistischen Flugkopfball nur knapp das Ziel verfehlte. Alles in allem ein leistungsgerechtes Remis, doch das Abstiegsgespenst schwebt wie ein Damoklesschwert über dem Millerntor!

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