Unser Mangrovenwald

■ Das Teufelsmoor löst sich in Luft auf / Eine Führung mit und ein Buch von Hans-Gerhard Kulp für Leute, die sich für Wunder und ihre Bedingungen interessieren

Balzende Zwergschwäne treiben's hier schnell noch mal, bevor sie Richtung Arktis abheben. Gagelbüsche stehen bereit, auf daß sich die Radnetzspinnen auf ihnen ausbreiten. Ja ist das nicht die Natternzunge, die herrliche? Wuchert hier nicht das schöne Sumpf-Läusekraut? Duckt sich dort in der Wiese nicht das seltene gefleckte Knabenkraut? Mit Glück bekommt man sogar einen Trupp Kampfläufermännchen vors Fernglas. Auf Teufelsmoorfreunde warten Mirakel über Mirakel. Meist vergeblich.

Man braucht also einen Führer. Nehmen wir Hans-Gerhard Kulp. Der Worpsweder Biologe (Schwerpunkt Vegetations- und Agrarökologie) steht jeden Donnerstag um neun Uhr bereit, mit Interessierten durchs Worpsweder Moor und über den Weyerberg zu stapfen und auf Wunder hinzuweisen. Und weil man ja nicht blind ist oder bleiben will, flicht er in seinen Vortrag behutsam ein, was faul ist an der Landschaft, deren Charakter einst und sogar heute noch Künstler anzieht. Auch das Unschöne muß er nicht behaupten – er kann's zeigen.

Das Teufelsmoor nämlich verschwindet. Nicht nur – das ist ja bekannt – durch Abbau von Torf für häßliche Vorgärten und dumme Blumentöpfe. Nein: es löst sich in Luft auf! Hans-Gerhard Kulp hat das als wissenschaftlicher Mitarbeiter der lobenswerten Arbeitsgemeinschaft Biologische Station Osterholz e.V. selbst untersucht. Das Teufelsmoor wird langsam aber sicher zu Kohlendioxid.

Ein Moor kurz hinter Worpswede Richtung Osterholz-Scharnbeck. „Waakhausen“ heißt es hier, das soll von „Wackelhausen“ kommen. Früher schwamm hier eine dünne Schicht Hochmoor auf dem Niedermoor, und wenn die Frühjahrsflut kam, hob sich das Land um bis zu eineinhalb Metern und „wackelte“. Heute ist es kanalisiert und trockengelegt. Hans-Gerhard Kulp deutet auf ein Stück frisch umbrochenen Weidelandes. Demnächst wird hier wohl Mais stehen. „Raubbau“, sagt Kulp. Ein Verbrechen am Moor. Die Folgen intensiver Moornutzung sieht man gleich nebenan: Da steht ein Mangrovenwald.

Natürlich sind das keine Mangroven. Was aussieht wie Bäume mit gut einem Meter hohen Luftwurzeln, sind 50 Jahre alte Erlen, unter denen das Erdreich weggesackt ist. Eigentlich und ursprünglich ist nämlich Moor naß und sauer und ohne Leben, da rührt sich nichts. Wird das Moor aber trockengelegt, beginnt es zu sacken. Kommt es zusätzlich unter den Pflug und wird so belüftet, erwachen Abermillionen von Mikroorganismen und zersetzen es wie einem Komposthaufen. Gase steigen in die Luft. Mineralstoffe und Salze schwimmen mit dem Regenwasser davon. So verliert das Moor jährlich zwei Zentimeter Höhe. Es schwindet dahin.

Schon sind wir beim Weltgeschehen. Kohlenmonoxid ist zuständig für den Treibhauseffekt. Das Teufelsmoor gast inzwischen soviel klimarelevante Gase aus wie alle 100.000 Menschen im Kreis OHZ mit ihren Autos und Heizungen zusammen. Und wohin schwimmen die aus dem Moor gelösten Nährstoffe? In die überdüngte Nordsee.

Wie gesagt: solch notwendiges ökologisches Basiswissen schiebt Kulp seinen Mitwanderern en passant und unverkniffen unter. Zum Glück gibt es ja auch heute noch viele Mirakel im Teufelsmoor zu entdecken. Die weiße Waldhyazinthe! Die Mond-Azurjungfer! Die letzten wilden Feuerlilien! Trauerseeschwalben!

Burkhard Straßmann

PS 1: Wer Interesse an den Donnerstags-Moorführungen mit Herrn Kulp hat, meldet sich beim Verkehrsamt Worpswede an.

PS 2: Fast noch schöner als mit Herrn Kulp durchs Moor zu ziehen ist, sein Buch zu lesen, einen „landschaftsökologischen Führer“ mit dem Titel „Der Weyerberg und das Teufelsmoor“. Man erhält es beim Herausgeber, der Ökologischen Station OHZ (04791/89517), oder im Buchhandel. 192 Seiten, zahlreiche schöne Bilder, Geschichtliches, Histörchen, Politisches sowie ein Aufruf, das Teufelsmoor zum UNESCO-Biosphärenreservat zu machen; Preis: 36 Mark.