„Alles viel zu aggro“

■ Ab heute im Jungen Theater: Sechs Abende zum Thema Aids und Theater/ Vom Einpersonenstück zur Avantgarde-Oper

„Viel zu aggro“ sei das mit der Sexualität. 1995 steht die Generation der Techno-Kids auf Sublimierung, auf Drogen und Tanzen. Denn Aggression ist doch irgendwie out, und Sexualität ist Aggression, also ist auch Sexualität out.

Im Jungen Theater findet man das nicht. Beim neuen Programm-Höhepunkt im Dezember, wenn sechs Abende „Theater und Aids“ auf dem Programm stehen, geht es durchaus um Sexualität. „Wir wollten Lust und Leidenschaft ins Zentrum stellen und nicht nur die Trauer der Betroffenen“, berichtet Lutz Gajewski, der das Programm zusammenstellte. Beim Suchen nach Stücken sei sehr schnell klar geworden, daß der Umgang mit dem Thema Aids in der Kunst sich weiterentwickelt habe. „Neben dem pädagogischen ,Wie benutzte ich ein Kondom?– oder dem schrecklichen ,Mein Freund ist positiv– gibt's in den USA jetzt halt Stücke wie ,Engel in Amerika–, die Aids aus der Schwulenszene rausholen.“ Nach solchen Texten habe man auch in Deutschland gesucht. Gefunden wurden Theaterproduktionen, die mit Aids auf die unterschiedlichste Weise umgehen: vom Ein-Personen-Stück über die Avantgarde-Oper bis zur szenischen Collage aus dem Jugendclub von Castorfs Berliner Volksbühne.

Am selbstverständlichsten: der Umgang mit der Krankheit bei der Generation der 18jährigen aus Ostberlin. Die Jugendlichen der Gruppe „P 14“ erwähnen die Immunschwächekrankheit bei „Der, die, das schwanger“ gar nicht direkt. Atmosphärisch jedoch ist das Thema Aids immer präsent, prägt die Beziehungen zwischen Mann und Fraun und Frau und Frau und Mann und Mann. „Diese Generation lebt damit“, sagt Lutz Gajewski, der den Abend für eine lustvolles Beispiel hält, das „gar nicht aggro“ mit Sexualität umgeht. rau

„Land's End“ (mit Ernie Reinhardt), 4./ 5.12.; „Wenn Barhocker anfangen weh zu tun“ (Hebebühne Hannover), 7.12.; „Ohnsgrond“ (Lesung mit Peter Niemeyer), 8.12.; „Cor“ (Avantgarde-Oper mit Christian Wolz), 9.12.; „Der die das schwanger“ (Szenische Collage mit P 14), 10.12., jew. 20.30 Uhr, Junges Theater.