■ Nachgefragt
: Im Prinzip gewaltfrei

Karin Krusche war am Wochenende Bremer Delegierte auf der Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen in der Stadthalle. Sie ist auch Sprecherin des Bremer Landesvorstands.

taz: Wer hat auf dem grünen Parteitag nun eigentlich gewonnen?

Karin Krusche: Ich finde nicht, daß es bei einer so wichtigen Frage um Gewinnen oder Verlieren geht. Man kann auf jeden Fall sagen, daß es drei Richtungen in dieser Partei gibt. Bei der entscheidenden Abstimmung hat jede über rund ein Drittel der Stimmen verfügt. Also muß die Partei lernen, mit diesen inhaltlich nicht zu vereinbarenden Positionen umzugehen. Ich hoffe sehr, daß der Parteitag dazu geführt hat, daß wir auch weiterhin diese Debatte leidenschaftlich aber sachlich führen können.

Gibt es die drei unvereinbaren Positionen genauso bei den Bremer Delegierten?

Ja. Die Bremer haben da ähnlich unterschiedlich abgestimmt. Das war für mich eine Überraschung. Denn wir hatten ja vor gar nicht langer Zeit eine Landesmitgliederversammlung zum Thema Bosnien. Und da hatten wir beim Meinungsbild die Hälfte der Stimmen für die Position von Fischer.

In Bremen ist die Entwicklung schneller verlaufen als auf der Bundesebene?

Ja. Und in Bremen haben wir die Frage immer sehr sachlich diskutiert. Die sehr stark mit Diffamierungen verbundene Abgrenzung hat es hier nie gegeben.

Wie erklären Sie heute einer Bremerin, was die Grünen jetzt in der Bosnien-Frage eigentlich wollen?

Das ist eine gute Frage. Ich würde es so erklären: Es gibt überhaupt gar keinen Zweifel daran, daß die Grünen eine gewaltfreie Partei waren und es auch immer noch sind. Es ist für uns klar, daß wir Krieg als politisches Mittel ablehnen. Daran hat selbst Joschka Fischer keinen Zweifel gelassen. Das gemeinsame Dach, das die Grünen vereint, ist, daß sie Krieg, Gewalt, Unterdrückung als politisches Mittel ablehnen.

Und jetzt ist die Bremerin weggelaufen. Die wollte doch wissen, was die Grünen nun konkret in der Bosnien-Frage beschlossen haben.

Konkret ist beschlossen worden, daß die Grünen eine Welt ohne Waffen wollen, daß sie aber dann, wenn es um friedenserhaltende Maßnahmen geht, dafür sind, dies mit Blauhelmsoldaten zu unterstützen. Die sollen zum Selbstschutz auch bewaffnet sein dürfen. Das ist der Durchbruch, wenn man daran denkt, daß es für Grüne früher undenkbar war, daß es Situationen geben kann, in denen Menschen, die einen Frieden schützen sollen, auch die Möglichkeit haben müssen, sich selbst zu schützen.

Das heißt, die Bundeswehr ist nicht überflüssig, wie es früher immer hieß, sondern sehr nötig?

Da gehen die Meinungen wieder ganz auseinander.

Die Bremerin will die Beschlußlage nach dem Parteitag verstehen.

Die Bundeswehr soll als Armee auf freiwilliger Basis bestehen, und sie soll auch nicht Bundeswehr heißen.

Wie soll sie denn heißen?

Tendenziell soll es keine Armeen geben. Das ist ja das Problem. Und das ist auch mein Widerspruch, daß ich an diesem Punkt den Anträgen nicht folgen kann, weil ich merke, wir müssen mit der Bundeswehr erstmal weiterleben, wie sie heute ist. Perspektivisch kann man sagen, diese Armeen sollen abgeschafft werden. Das wird aber in den nächsten Jahren nicht passieren.

Wenn Sie als Parteitags-Delegierte es schon kaum erklären können, wie soll jemand Außenstehendes jetzt die grüne Position verstehen können?

Die zentrale Aussage ist doch die: Die Grünen halten im Prinzip an der Gewaltfreiheit fest. Ich kann mit der Abstimmung, auch wenn ich einer anderen Meinung bin, leben.

Fragen: Dirk Asendorpf