Theatermann der 3. Generation

Gesichter der Großstadt: Martin Wölffer, dessen Familie beim Theater eine Berliner Institution ist, will das Boulevardtheater zeitgemäß machen  ■ Von Margot Weber

Er hätte auch Feuerwehrmann werden dürfen, oder Krawattenverkäufer – zumindest sagt er das. Aber wer mit Nachnamen Wölffer heißt, kann sich wahrscheinlich der Faszination des Theaters auf Dauer nicht entziehen. Doch der 32jährige Martin hat es trotzdem versucht, hat einige Zeit in Madrid gelebt, später an der FU Literaturwissenschaft und Spanisch studiert.

Martin Wölffer verkörpert die dritte Generation einer Theaterdynastie, die in Berlin fast schon zu einer Institution geworden ist: Großvater Hans, gestorben 1976, hatte vor dem Zweiten Weltkrieg beide Theater am Kurfürstendamm übernommen, zeitweise auch das „Theater des Westens“ besessen. Dessen Söhne Jürgen und Christian eröffneten 1988 eine Hamburger Dependance.

Bereits mit 18 Jahren war Martin Wölffer Assistent von Peter Zadek, danach arbeitete er mit Boy Gobert und Herbert Kreppl, mit Vater Jürgen und Onkel Christian. Er war Aushilfsbeleuchter an der Deutschen Oper in der Bismarckstraße und Leiter eines eigenes Theaters, des „magazins“ im Ku'damm-Karree. 1990 hatte er das 100-Plätze-Haus gegründet: auf der Hinterbühne des „Theaters am Kurfürstendamm“, neben der „Komödie“ die zweite Bühne der Familie Wölffer in Berlin.

Im Gegensatz zu den väterlichen Etablissements stand im Theater des Sohnes eher schwer Verdauliches auf dem Spielplan: der „Menschenfeind“ von Molière in der Bearbeitung von Hans Magnus Enzensberger, Pomerances „Elephantenmensch“ und Gottfried Greiffenhagens Dramatisierung von Irmgard Keuns „Das kunstseidene Mädchen“. „Das ,magazin‘ war eine Liebhaberangelegenheit“, erinnert er sich. „Wir bekamen keine Subventionen, konnten unseren Schauspielern nur hundert Mark pro Vorstellung zahlen.“

Mit seiner kleinen Bühne setzte sich der Jungregisseur zwischen alle Stühle: Die Off-Szene beäugte das „magazin“ befremdlich als eine Art Jugendabteilung der väterlichen Boulevardbühnen, und das bürgerliche Publikum des Vaters erwartete von einem Wölffer eher einen Curt Goetz als einen Rainer Werner Fassbinder. Ende 1993 beschloß Martin, das „magazin“ zu schließen und im Künstlerischen Betriebsbüro des Vaters zu arbeiten.

Sein Debüt in der „Komödie am Kurfürstendamm“ gab er erst im vergangenen Jahr: mit „Bindung 6. Grades“, einem Stück von John Gouare. „Unser Abonnentenschocker“, erinnert er sich noch heute grinsend: Schwarze, Schwule und Nackte auf der Boulevardbühne am Kurfürstendamm. Und nur eine einzige Prominente als Zugpferd: Ursela Monn. Das Haus war zwar nicht gerade voll, aber Spaß hat ihm das trotzdem gemacht, die Zuschauer zu verwirren, die „so etwas“ von einem Wölffer niemals erwartet hätten.

Die Familie Wölffer hat sich jetzt auch in Dresden engagiert. Dort soll bis September nächsten Jahres ein Theater mit 650 Plätzen gebaut werden. Auf Martin kommen deshalb neue Aufgaben zu: In der „Komödie Dresden“ wird er Mitglied der Künstlerischen Leitung sein. Die Familie hat zudem beschlossen, im kommenden Jahr die beiden Berliner Bühnen zu trennen – und Martin die „Komödie“ zu überlassen. „Tatsache ist, daß zwei Häuser mit demselben Spielplan nicht mehr ohne weiteres zu füllen sind“, sagt Martin. In Berlin haben sich seit dem Mauerfall die Besucherzahlen deutlich verringert: „Heute liegt unsere Auslastung nur noch zwischen 60 und 80 Prozent.“

Sein Konzept: Weg vom bürgerlichen Unterhaltungstheater. „Ich will grelleres Theater machen.“ Ein schräger „Amphytrion“ zum Beispiel schwebt ihm vor, mehr will er noch nicht verraten. Für alle Werke gelte jedoch: „Nicht Boulevard, sondern Komödie wird es sein“, sagt er. Seine Lieblingsautoren? Büchner, Shakespeare, Kleist. Da werden sich die Abonnenten aber ganz schön vorsehen müssen.