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Bosnische Flüchtlinge fürchten Abschiebung

■ Flüchtlingsberatungsstellen kritisieren Druck der Politik auf bosnische Flüchtlinge. Sozialhilfe mit Hinweis auf „Frieden“ verweigert

„Es herrscht seit Tagen Panik, Angst zurückzumüssen und gar nicht genau zu wissen, wohin“, erzählte die Betreuerin eines Flüchtlingsheimes. „Fünf, sechs Familien aus sogenannten muslimischen Mischehen haben bereits angekündigt, weiter nach Kanada oder Australien zu ziehen.“ Andere drohten damit, sich aus dem Fenster zu stürzen, sobald sie eine Rückkehraufforderung erhielten. „Unverantwortlich“ seien Äußerungen aus Senatskreisen zur Situation bosnischer Kriegsflüchtlinge, waren sich VertreterInnen von Flüchtlingsberatungsstellen auf einem Treffen einig.

Kritisiert wurde während des Treffens beim Süd-Ost-Europa- Kultur e.V. vor allem Innenstaatssekretär Kuno Böse. Dieser hatte vertreten, mit der Beendigung des Kriegszustandes bestehe keine Notwendigkeit mehr, den Flüchtlingen weiterhin einen Duldungsstatus zuzuerkennen.

Elisabeth Reese von „Asyl in der Kirche“ schilderte, daß bereits einer bosnischen Serbin die Sozialhilfe verweigert wurde mit der Begründung, daß es ja nun das Friedensabkommen gäbe und sie wohl bald zurückkehren müsse.

„In Bosnien“, so Bosiljka Schedlich vom Süd-Ost-Europa- Kultur e.V., „hat sich gegenüber der Zeit vor dem Dayton-Papier überhaupt nichts verändert.“ Eine Rückkehr derer, die zurückkehren wollen, sei daher vor dem nächsten Frühjahr kein Thema. Neben zahlreichen ungeklärten Fragen existiere vor allem das Problem, daß viele Menschen in der Heimat ihre Häuser besetzt wissen, von Flüchtlingen oder von denen, die sie vertrieben haben.

„Vieles wird davon abhängen, ob letztlich alle unabhängig von ihrer Nationalität in ihre Heimatorte zurückkönnen“, sagt Frau Schedlich. Die Debatte, so Joachim Rüffer, Leiter der psychosozialen Beratungsstelle beim DRK, müsse somit den gesamten Raum Ex-Jugoslawiens berücksichtigen.

Die gegenwärtige politische Diskussion passe zum „unerträglichen Umgang“ insbesondere der Sozialämter und des Verwaltungsgerichts mit den Flüchtlingen. Geradezu empörend sei, wie Berlin die Frage von bosnischen Flüchtlingen mit restjugoslawischen Pässen behandele. Bereits im September des Jahres hatte sich die Botschaft der Republik Bosnien-Herzegowina an das Auswärtige Amt gewandt. Dabei ging es darum, Abschiebebeschlüsse zurückzunehmen für „Bosniaken aus dem Sandzak bzw. der sogenannten Bundesrepublik Jugoslawien“, die aus dem Grunde eingebürgert worden seien, weil sie eine Minderheit darstellten, in der Ausübung ihrer nationalen und religiösen Rechte eingeschränkt würden und um Leib und Leben fürchten müßten.

Zur Unterstreichung der Situation war der Note ans Auswärtige Amt eine Liste von etwa zwölf Betroffenen beigelegt worden. Ergebnis: Nach einem Briefwechsel zwischen Auswärtigem Amt und Berlin sei nun lediglich in den aufgelisteten Fällen eine Duldung erteilt worden. Im übrigen werde so vorgegangen wie bisher, hieß es dazu von Staatssekretär Böse.

Am 5. Oktober wandte sich die Botschaft deshalb erneut ans Auswärtige Amt, damit grundsätzlich allen Bosniaken, die eingebürgert worden seien und einen neuen Paß der Republik Bosnien-Herzegowina vorgelegt hätten, eine Duldung zu erteilen oder den Abschiebebeschluß aufzuheben. Eine Antwort, so Elisabeth Reese, hat es dazu bis heute nicht gegeben.

Die Mitarbeiterin einer Beratungsstelle schilderte den Fall einer Frau aus Goražde, die kürzlich sowohl mit serbischem als auch mit bosnischem Paß eingereist war. Diese Frau sollte nun, um zu beweisen, daß sie Bosnierin ist, von der jugoslawischen Botschaft einen Paßvermerk erbringen, daß sie keine jugoslawische Staatsangehörige sei. Bei der Botschaft berief man sich allerdings darauf, nicht zuständig zu sein, da die Frau Bosnierin wäre. „Als man dieser Frau dann bei der Ausländerbehörde mitteilte, den bosnischen Paß nicht akzeptieren zu können, brach diese in Tränen aus.“ Einzige Reaktion des Beamten der Ausländerbehörde: Er drohte, die Frau rauszuwerfen. Kathi Seefeld

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