Chef der Deutschen Welle sah rot

■ Fernsehdirektor des Regierungs-TV verbot Moderatoren, am Welt-Aids-Tag mit roter Schleife vor die Kamera zu treten

Beim Auslandsfernsehen „Deutsche Welle“ sorgt ein Eklat am Welt-Aids-Tag für schlechte Stimmung. Fernsehdirektor Wolfgang Krüger hatte den Moderatoren untersagt, eine rote Schleife als Zeichen der Solidarität mit Aidskranken zu tragen. Daraufhin weigerte sich einer der Moderatoren von „Boulevard Deutschland“, die Unterhaltungssendung zu moderieren. Sogar vorproduzierte Trailer, in denen Moderatoren noch die Schleife trugen, mußten neu aufgenommen werden.

Mit diesem Alleingang setzte sich Krüger gegen Chefredakteur Christoph Lanz durch. Dieser hatte sich für das Tragen der Schleife ausgesprochen. Moderatoren sollte es freigestellt sein, die Anstecknadel zu tragen. Lediglich Nachrichtensprecher sollten auf das Abzeichen verzichten.

Die Deutsche Aids-Hilfe hatte die Moderatoren aller Fernsehanstalten aufgerufen, die Rote- Schleifen-Kampagne zum Welt- Aids-Tag am 1. Dezember zu unterstützen, indem sie die Anstecknadel tragen. Bei ARD und ZDF traten denn auch eine Reihe von Moderatoren von Talkshows und Unterhaltungssendungen mit der Anstecknadel vor die Kamera. Bei der Verleihung des Medienpreises „Tele Star 1995“ am Samstag abend im ZDF trugen fast alle prominenten Fernsehjournalisten das Abzeichen.

Die Deutsche Welle wird vollständig vom Bundesinnenministerium finanziert und soll das Bild Deutschlands im Ausland prägen. Doch trotz Krügers Alleingang blieb auch der Regierungssender keine schleifenfreie Zone. Schließlich verteilten zahlreiche Prominente wie Harald Juhnke, Ulla Meinecke, Otto Sander und die CDU-Politikerin Hanna-Renate Laurien in der Berliner Innenstadt das Solidaritätssymbol. Darüber berichtete auch die Deutsche Welle in ihren Nachrichten. Und in der Sendung „betrifft“, die sich ausschließlich mit dem Thema Aids befaßte, traten die Interviewpartner vom Deutschen Aidszentrum mit Schleife an.

Die Belegschaft des Senders reagierte „völlig schockiert“ auf das Eingreifen des Fernsehdirektors. Das Verbot der Schleife sei „verlogen“, hieß es. Als die Nachricht die Runde machte, steckten sich etliche Mitarbeiter aus Protest und Solidarität mit dem Moderator die rote Nadel an. Dieser wird wegen Arbeitsverweigerung mit Konsequenzen rechnen müssen; wollte zum Jahresende aber ohnehin ausscheiden.

Fernsehdirektor Krüger, der für eine Stellungnahme nicht erreichbar war, hatte das Verbot nicht begründet. Das dürfte auch schwerfallen: Schirmherr der Roten- Schleifen-Aktion war Bundespräsident Roman Herzog. Dorothee Winden