Papiersieger ohne Beute

■ Die grüne Außenpolitik bewegt sich doch!

Die Katastrophenverkünder haben sich wieder einmal geirrt: Weder hat die von Joschka Fischer angestoßene außenpolitische Diskussion die Bündnisgrünen auf dem Parteitag von Bremen in die Spaltung getrieben, noch sind die Reste der alten Friedensbewegung der Bundesrepublik über Nacht heimatlos geworden.

Über das Ergebnis blieb die in Bremen in Linke und Pazifisten gespaltene Mehrheit seltsam unfroh, während die außenpolitischen Reformisten trotz ihrer Niederlage strahlende Gesichter zeigten. Vor dem Hintergrund ihrer Marginalisierung auf dem Bosnien- Sonderparteitag der Grünen vor zwei Jahren in Bonn bedeuten rund 40 Prozent Zustimmung von Bremen für den Kurs von Joschka Fischer unter einem undemokratischen Abstimmungsmodus fast einen Durchbruch.

Die Papiersieger aber haben am Wochenende nur ein kurzfristiges Erfolgserlebnis gehabt: Weil sie ohne ansteckende Zuversicht in die Zukunft der eigenen Konzepte agierten, weil ihnen eine Integrationsfigur fehlt und weil sie sich in der Folge ihres ängstlichen, defensiven Übertaktierens in zwei Lager spalteten.

Nach langer Diskussion hat sich eine große Gruppe der Grünen zu Konsequenzen aus der Erkenntnis bekannt, daß wichtige Traditionslinien der Partei zueinander im Widerspruch geraten können und daß das Festhalten an Argumentationsmustern aus der Zeit der Blockkonfrontation und der atomaren Hochrüstung angesichts einer veränderten Welt auch in „pathologischem Lernen“ (so der Hamburger Politikwissenschaftler Joachim Raschke) enden kann.

Angesichts der Wahl des außenpolitischen Traditionalisten Oskar Lafontaine zum SPD-Vorsitzenden wird dieser Aufbruch noch wichtiger: Er zeigt, daß die Grünen in der Außenpolitik kein in starrem Abstand vertäutes Linksaußen-Beiboot der Sozialdemokraten bleiben müssen.

Ein Großteil ihrer Fraktion wird am Mittwoch im Bundestag voraussichtlich für die Umsetzung des Friedensabkommens von Dayton auch mit Beteiligung deutscher Soldaten stimmen. Den Katastrophenbeschwörern zum Trotz: Ein neuer Dauerkonflikt zwischen Partei und Fraktion wird durch dieses Abstimmungsverhalten nicht vorprogrammiert. Die grünen Abgeordneten, die für Dayton stimmen, sind bisher zwar nur von einem – wenn auch wichtigen – Teil der Bremer Delegierten beauftragt. Sie wissen aber, daß sich auch die Partei als Ganzes in ihre Richtung bewegt. Hans Monath