Tune in, turn on, breathe out Von Mathias Bröckers

Timothy Leary will on-line sterben. Dies erzählte ein befreundeter Fernsehjournalist, der den schwer krebskranken Professor im Unruhestand kürzlich im kalifornischen Los Angeles besucht hat: „Wenn es soweit ist, will er sein letztes Acid nehmen, und wir sollen mit der Kamera live dabei sein.“ Mir blieb für einen Augenblick die Spucke weg – nicht vor Schreck über den mal wieder typisch „Drogen-Papst-“ und „Hippie-Führer“-mäßigen Medienskandal, sondern aus purer Hochachtung – vor soviel Radikalität, Optimismus und geradezu heldenhaftem Bewußtsein.

Für das Junk-TV unserer Tage mag dies nur ein weiteres dekadentes Sensatiönchen mehr sein – für einen Autor, der eine „Politik der Ekstase“ geschrieben und propagiert hat, ist es ein unheimlich starker Abgang. Auch der britische Schriftsteller Aldous Huxley hatte sich vor seinem Tod LSD geben lassen – um der Klarheit willen und um dem Geist das Verlassen des Körpers zu erleichtern. Aber live, on-line, im Fernsehen? Für einen wie Timothy Leary, den Elefanten im psychedelischen Porzellanladen, ist dies nur konsequent. Anfang der Sechziger, noch als ordentlicher Psychologieprofessor an der Nobeluniversität Harvard, hatte er unter anderem mit Aldous Huxley und Arthur Koestler Strategien der Bewußtseinsrevolution erprobt und diskutiert.

Daß mit dem 1943 von Albert Hofmann synthetisierten Alkaloid des Mutterkorns (LSD) ein mächtiges Werkzeug für eine tiefgreifende kulturelle und religiöse Transformation gefunden war, schien auf der Hand zu liegen. Leary hatte bei Therapien und Versuchen mit so unterschiedlichen Gruppen wie Schwerverbrechern und Theologiestudenten erstaunliche Ergebnisse erzielt.

Wenn aber LSD es ermöglichte, das Bewußtsein zu erweitern und so das Mystische/Transzendente/ Göttliche zu erfahren, mußte es dann nicht der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden?

Arthur Koestler hielt am wenigsten vom „chemischen Pfingsten“ und seiner „Instant-Erleuchtung“: Der Weg sei das entscheidende, nicht das Ziel, so Koestlers These, und es mache einen gewaltigen Unterschied, den Berg zum (Bewußtseins-)Gipfel zu ersteigen oder statt dessen einfach den Lift zu benutzen.

Für Huxley schien dieser Unterschied eher vernachlässigbar, wo doch das Gipfelerlebnis absolut identisch war, doch hielt er es wegen der umwerfenden Eindrücke auf die Psyche für zu gefährlich, dies der Allgemeinheit zugänglich zu machen: Es sollte Wissenschaftlern, Intellektuellen und Mönchen vorbehalten bleiben. Leary hingegen befand, daß jede/r Operator/in des eigenen Gehirns zu werden hätte, und zwar möglichst sofort, und daß dabei, unter Beachtung einiger wichtiger Grundregeln, auch wenig schiefgehen könnte. Dazu gab er ein „Handbuch basierend auf dem Tibetanischen Totenbuch“ heraus (Leary, Metzner, Alpert: „Die psychedelische Erfahrung“, 1964), das den Bewußtseinsreisenden helfen sollte, in den „Nachtodzuständen“ die Ängste vor dem Numinosen zu überwinden. Wenn also überhaupt jemand zu Recht öffentlich und im Fernsehen stirbt, dann ein Experte mit praktischer Erfahrung, ein Spezialist des virtuellen Todes wie unser Dr. Leary: Tune in, turn on, breathe out ...