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■ Eltern studieren den Ü-Ei-PreiskatalogSchatzsuche im Kinderzimmer

In manchen Haushalten sollen Überraschungseier schon Geisteskrankheiten ausgelöst haben. Irrsinn, weil mensch mit zweiunddreißig Jahren an der Bedienungsanleitung für die Kunststoffsteckfigur Goofy mit Geige gescheitert ist. Oder blinder Jähzorn, weil der Sprößling schon wieder eines von den Happy Hippos im Fitnessfieber in den Toaster gesteckt hat und jetzt das Brot nach verbranntem Plastik schmeckt.

Kinder bis zum Alter von zehn Jahren lieben die Überraschung im Ei zumeist fünf Minuten, dann landen Hippos, Krokos und Mini- Puzzles irgendwo in einer Sofaritze, fallen hinters Schuhregal oder geraten in besagten Toaster. Große Kinder um die Dreißig dagegen hüten die kleinen Figuren zuweilen wie ihren Augapfel, reisen deswegen durchs ganze Land zu Tauschbörsen und lagern sie im Bankschließfach.

Wie hoch im Kurs einzelne Figuren mittlerweile stehen, zeigt der 1. Deutsche Ü-Ei-Preiskatalog, der Anfang November in seiner dritten Auflage erschienen ist. So bringt es der Eierlaufschlumpf aus dem Ü-Ei-Jahrgang 1983 mittlerweile auf siebenhundert Mark. Das Diorama „Olympiade der Schlümpfe“, das einst als Schaufensterdeko gedacht war, wird sogar mit dreitausend Mark vergütet. Selbst Beipackzettel und Eierhütchen verwandeln sich in klingende Münze, und das nicht nur bei zehn Jahre alten Figuren. So sind auch die meisten Figuren aus dem aktuellen Ü-Ei-Angebot zwischen drei und fünf Mark wert – immerhin das Drei- bis Fünffache des aktuellen Eierpreises.

Bei einer sofortigen Razzia im Spielzeug meiner Tochter fand ich auf Anhieb drei Figuren aus den letzten Jahren im Wert von hundert Mark. Weitere Exemplare waren leider nicht mehr vollständig, weshalb der Morgenmuffel- Zwerg, mittlerweile ohne Spiegel, eben doch keine fünfzig Mark wert ist.

Kommissar Hunter, der etliche Jahre im Blumentopf einer Yuccapalme zugebracht hatte, gewann im Handumdrehen meine Achtung, weil er eine von der Norm abweichende Gesichtfarbe aufwies. Laut Ü-Ei-Preiskatalog macht ihn das vierzig Mark schwer. Natürlich ist er jetzt für einen Verbleib zwischen Blattläusen und Blumenerde viel zu schade. Zusammen mit Panzerknacker Nr. 167 (40 Mark) und Figaro-Zwerg (50 Mark) wartet er in einer stoffgepolsterten Schublade darauf, daß sein Wert weiter steigt. Sehr zum Unverständnis meines Kindes, das das „Nest“ sofort entdeckt hatte und die Figuren wie gehabt umherschießen und zwischen die Sofapolster klemmen wollte. Meinen Aufschrei, daß sie gerade mit äußerst wertvollen Figuren usw., begriff sie natürlich nicht. Ich auch nicht, in diesem Augenblick müssen Dollarzeichen à la Dagobert Duck in meinen Augen zu sehen gewesen sein. „Mutter nimmt Kind Spielzeug weg, aus Geldgier!“ – einschlägigen Zeitungen wäre die Geschichte bestimmt am nächsten Morgen eine Schlagzeile wert gewesen, hätte ich mich selber angezeigt.

Mit den Ü-Eiern ist es eben nicht anders als mit den leidigen Briefmarken, die einem als Kind das Einmaleins des Kapitalismus beibringen. Eine Tante aus England schenkte mir als Zwölfjährige einen Satz mit häßlichen Schiffen drauf, den ich am liebsten in der nächsten Mülltonne versenkt hätte. Bis ich zufällig in einem Briefmarkenkatalog das Quartett wiederfand. Es war knapp tausend Mark wert, was den Marken zu einer eigenen Seite im Briefmarkenalbum verhalf. Eine Weile wurde jeder Kursanstieg genau verfolgt, dann gewann der erste Freund allmählich mehr an Wert. Fragt sich, wo das Album geblieben ist. Christine Berger

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