Ein Schleifer streichelt Seelen

Einst wurde er wegen Frauenfeindlichkeit ausrangiert: Nun soll Ekke Hoffmann Deutschlands Handballfrauen bei der WM zu Olympia verhelfen  ■ Von Holger Gertz

Vielleicht ist es nicht ganz fair, immer wieder Sünden der Vergangenheit freizuschaufeln, aber bei einem wie Ekke Hoffmann kommt man nicht drumherum. Der war 1983 bis 1988 Trainer der deutschen Handballerinnen, und es ist, sagen wir, keine einfache Zeit gewesen. Jedenfalls nicht für die Frauen. Man weiß nicht, wie sich der Realschullehrer Hoffmann pädagogisch seinen Schülern nähert, den Frauen gegenüber hat er sich, wenigstens verbal, aufgeführt wie ein Prügelpädagoge.

Unerträglich sei der Umgangston im Handballteam gewesen, sagen die, die damals dabei waren: Dumme Gans, blindes Weibsstück, es muß zugegangen sein wie in einer russischen Turnakademie. Am Ende war keine mehr dabei. Reihenweise boykottierten die Handballerinnen den Schleifer, bis der seinen Kader mit Kräften aus der 2. Liga auffüllen mußte. Und als 1988 die unglückliche Verbindung zwischen Hoffmann und den Handballerinnen endlich gelöst war, haben die meisten aufgeatmet und gedacht: gut, daß er endlich weg ist.

Jetzt ist er 51, wieder da und soll bei der heute beginnenden Weltmeisterschaft in Österreich und Ungarn wenigstens das Halbfinale schaffen und damit die Spielberechtigung bei Olympia. Die Chancen stehen gut, wenn man das letzte Vorbereitungsspiel vom Sonntag als Maßstab nimmt, bei dem das Team die Auswahl aus der Tschechischen Republik 34 : 20 aus der Halle gezaubert hat. Hoffmann stand bärtig und brüllend an der Linie, aber es sieht nur so aus, als sei alles wie früher. „Ich habe dazugelernt“, sagt er, „ich gehe jetzt mit mehr Distanz an die Dinge heran.“

Die Dinge haben sich außerdem zu seinen Gunsten gewandelt. Nur zwei Spielerinnen, Kreisläuferin Michaela Erler und Torfrau Eike Bram, kennen Hoffmann noch aus der schlimmen Zeit; außerdem hat sich nach seinem Ausstieg erwiesen, daß auch seine Nachfolger ihre Not hatten mit den Ballwerferinnen – allem Erfolg zum Trotz. Weltmeister sind die Frauen geworden, Vize-Europameister, Olympiavierter, aber die Männer auf der Bank wechselten munter durch.

Heinz Strauch, Lothar Döring, Ingolf Wiegert: Ekke Hoffmann ist der vierte Trainer im vierten Jahr. Gescheitert waren alle, weil es ihnen nicht gelungen ist, das Klima im Team erträglicher zu halten. Das ist schwierig in einer Frauenmannschaft, „wo die Emotionen im Spiel sind, mehr als bei Männern“, sagt Hoffmann. Die eine zu loben, ohne die anderen zu schmähen; kritisieren, ohne zu kränken; Grüppchenbildung zu verhindern bei Frauen, die manchmal in Liebe einander zugetan sind – das sind Anforderungen, an denen man scheitern kann. Und dann ausgerechnet Hoffmann. Immerhin, er hat eine zweijährige Probezeit bei den Juniorinnen erfolgreich absolviert, und außerdem: Viele gibt es nicht, die sich nach dem Job drängen.

Das Interesse hält sich schließlich in Grenzen, das trifft auf die Handballerinnen zu wie auf viele Frauen im Sport. Wer hat schon Notiz genommen vom WM-Gewinn, wer kennt weiter westlich der Oder Bianca Urbanke, den Star in der Auswahl? Angreiferin Silke Fittinger hat erst ein wenig an Popularität gewonnen, seit sie den Basketballer Hansi Gnad geheiratet hat. Und im Norden haben sie gerade beim deutschen Meister TuS Walle darüber nachgedacht, aus dem Europapokal auszusteigen, weil die Reisekosten in keinem Verhältnis stehen zu den Werbegeldern, die man einfahren kann: „Die Bedingungen in Deutschland sind nicht optimal“, sagt Hoffmann.

Im Vergleich mit anderen Nationen sind sie sogar miserabel, weswegen der Trainer allzu hohe Erwartungen dämpft. „Ich bin heilfroh, wenn wir das Halbfinale schaffen, das ist jetzt nicht untertrieben.“ Die Vorrunde wird schwer genug, der heutige Auftaktgegner Angola und China sollten zu überwältigen sein, gegen Rußland wird es schwierig wie gegen die Koreanerinnen, die seit einem halben Jahr durch Europa touren zwecks Vorbereitung auf das Championat.

Hoffmann hat sein Team zwölf Tage um sich geschart, weil er seine Planungen mit Bundesligavereinen abstimmen mußte, „die ihre Rechte haben, weil sie die Frauen finanzieren“. Wie soll frau da mithalten, etwa mit Österreich, wo praktisch die gesamte Nationalauswahl beim vom gleichnamigen Bankhaus gesponserten Club Hypobank Niederösterreich spielt? Der im übrigen von der Meisterschaft freigestellt ist.

Daheim muß der Mangel verwaltet werden. „Man muß echt anerkennen, wie die Frauen sich reinhängen“, lobt Hoffmann, „so beansprucht, wie sie sind.“ Gemeinsam empfundene Not verbindet, und manchmal läßt sie einen Schleifer zum Seelenstreichler werden.