Handbremse anziehen und los!

Was Thomas Gottschalk nach seinem RTL-Abgang für unmöglich erklärte, versucht nun der unmögliche Harald Schmidt möglich zu machen: eine deutsche Late-night-Show (23 Uhr, Sat.1)  ■ Von Reinhard Lüke

Wenn es einer in Deutschland überhaupt schafft, uns zu Schlafenszeiten mit Late-night-Plaudereien vor den Bildschirmen zu fesseln, dann doch sicher dieser Harald Schmidt. So rollte der deutsche Blätterwald in den vergangenen Wochen in bemerkenswerter Eintracht rote Teppiche für das neue Sat.1-Sandmännchen aus. Auch die Konkurrenz zeigt sich sicherheitshalber schon mal vorab beeindruckt und greift zu außergewöhnlichen Maßnahmen: Bio präsentiert seinen (parallel ausgestrahlten) „Boulevard“ in dieser Woche aus dem Frauenknast.

Und wo's nun heute endlich losgeht mit der „Harald Schmidt Show“, wollen wir doch schnell noch kundtun, daß wir mit Bio, der Nation und dem Sat.1-Programmdirektor Fred Kogel hier ausnahmsweise einer Meinung sind: also wenn, dann er, der Harald.

Schließlich ist Schmidt neben Karl Moik seit Jahren der einzige Entertainer von Format, der auf deutschen Mattscheiben für Erheiterung sorgt. Und für dieses Late- night-Format, an dem sich mit Gottschalk und Koschwitz hierzulande bisher nur Gladiatoren der unfreiwilligen Komik versuchten, scheint er doch wie gemacht. Denn im Gegensatz zu seinen unbedarften Vorläufern ist Schmidt das, was die Amis einen gestandenen „Comedian“ nennen. Zum einen ist er mit seinen Kabarettprogrammen ein Jahrzehnt lang durch die humoristisch harte Schule von Mehrzweckhallen und Kolpinghäusern gegangen. Und wie sich der begnadete Spötter da über Berufsbetroffene und gebildete Stände hermachte, war allerliebst. Zum anderen hat er inzwischen hinlänglich bewiesen, daß er so was auch im Fernsehen kann. Man erinnere sich an „Gala“ und den legendären Fake-Spendenaufruf („Für Rußland!“), bei dem Radio Bremen nachher nicht wußte, wohin mit all den guten Gaben.

Die „Kukident“-Nummer „Verstehen Sie Spaß?“ war allerdings fraglos nicht sein Ding. Das gesetzte Samstagabend-Publikum der ARD verstand seine Späße nicht. Und die, die seine Späße verstanden hätten, saßen zu diesem Zeitpunkt nicht vor dem Schirm. Ob die „Harald Schmidt Show“ Harald Schmidts Ding wird, ist aber auch noch nicht raus. Denn intelligent-böse Verarsche ist hier nicht angesagt. So ließ Produzent Jörg Grabosch (dessen Firma „Brainpool“ anfänglich auch Koschwitz die Witzchen schrieb) vorsorglich das Format-Credo verbreiten: „In der Late-night-Show wird miteinander gelacht, nicht übereinander!“ Pastor Fliege wird's freuen, die Schmidt-Fans alter Schule weniger.

Aber das Format, dessen Regeln von dem US-Vortalker David Letterman definiert wurden, verlangt nun mal einen pfleglichen Umgang mit den Gästen. Denn Promis sind bei Late-night das Salz in der Suppe. Nur lassen sich Vertreter dieser Spezies, selbst wenn sie einen neuen Film oder eine CD anzupreisen haben, ungern auf die Schippe nehmen. So schaffte es Letterman erst jüngst, einen Plaudertalk mit Steffi Graf hinzulegen, ohne auch nur mit einem Wort den Aufenthaltsort ihres Vaters zu erwähnen.

Deshalb, so viel steht fest, wird auch Schmidt sein böses Mundwerk in irgendeiner Weise zügeln und die Handbremse hübsch angezogen lassen. Weniger Interviews als „eine Art Sketch“ wolle er mit seinen Gästen aufführen, tat er am Donnerstag kund, um schon mal dem deutschen Mißverständnis vorzubeugen, daß es hier um eine Art Talkshow gehen könnte. Ist natürlich mehr Sitcom, so was.

Auch das kann fraglos in Einzelfällen lustig werden. Stellt sich langfristig nur das schlichte Problem mit den deutschen Stars, die hier vorwiegend aufmarschieren sollen: Davon gibt's nun mal nicht viele. Und wenn die auch noch mit (Selbst-)Ironie beschlagen sein sollen, wird's gänzlich trübe. Da hat's Kollege Letterman doch entschieden leichter.

So steht zur heutigen Premiere neben Harald Juhnke, Neu-007 Pierce Brosnan und Brian Ferry auch schon die „Prima Name, aber sonst?“-Amazone Désirée Nosbusch ins Haus. Und mit Blick auf die (deutsche) Gästeliste der kommenden Wochen wird's dann schon arg gruselig: Schwarzwald-Schlitzer Klausjürgen Wussow, Gaudi- Bursch Rubenbauer, Kabinetts- Kasper Nobbi Blüm und Zappel- Caruso Grönemeyer.

Wo Schmidt den naheliegenden Verdacht, daß Sat.1 seine Show obendrein als Werbeträger in eigener Sache nutzen könnte, entrüstet zurückwies („Ich rede nicht mit Rex!“), wird man fragen dürfen, was dann so glamouröse Erscheinungen wie Uschi Glas und des Kanzlers Serien-Double Günther Strack auf der Gästeliste zu suchen haben. Harald Schmidt wird nett zu ihnen sein. Nicht nur, weil der Sender es so will, sondern weil die deutschen Pendants zu Madonna und Robert De Niro nun mal so aussehen. Mehr ist hier kaum zu haben. In den Dummies, die er am letzten Donnerstag auszugsweise vorführte, hatte Schmidt noch einen netten Scherz über die Kelly Family („Bambi für die beste Präsentation einer Altkleidersammlung“).

Ob er den heute abend auch bringen dürfte, ist fraglich. Da würde ihm dann der Kogel, Fred vielleicht doch eher abraten: „Du, Harald, ich persönlich fänd's ja toll, aber schließlich hatten wir mit denen doch am Samstag erst diese Gala ,Weihnachten für alle‘ im Programm. Und die ist riesig gelaufen... Mach doch lieber noch so 'n richtig bösen über Peter Graf.“ Und der Harald wird an sein üppiges Schmerzensgeld denken, seinen Fredi verstehen, so 'n richtig bösen über Peter Graf machen.

Wenn Late-night in Deutschland geht, dann sicherlich mit Schmidt. Es gibt nur gute Gründe, warum Late-night hier eben nicht geht. Und da ist der Schmidt dann schon wieder eher verschwendet.