Nur das Rauchverbot dämpft die Begeisterung

■ Beim Kinobesuch sind die IrInnen Europameister. Abend für Abend stehen die Leute vor den großen Kinos in Dublin Schlange für ihre große Leidenschaft

Die IrInnen liegen bei den Kino-Europameisterschaften klar an der Spitze: Vor den großen Kinos in der Dubliner O'Connell Street stehen für die Abendvorstellungen bis zu tausend Menschen Schlange, die Filmtheater in Irland haben 1994 satte zehn Millionen Tickets verkauft. Als in der Trabantenstadt Tallaght 1989 das bisher größte Kino des Landes mit zwölf Leinwänden eröffnet wurde, strömten die Leute in Scharen in den Vorort. Das Kino verkaufte im ersten Jahr weit über eine Million Tickets. Im vergangenen Monat stieg auch Richard Bransons „Virgin“-Kette mit einem supermodernen Filmtheater in der Innenstadt ins Dubliner Kinogeschäft ein.

Das erste reguläre Kino Dublins wurde 1909 vom Dichter James Joyce eröffnet. Das „Volta“ in der Mary Street war ein Unternehmen italienischer Geschäftsleute, und deshalb liefen dort nur Filme aus Italien. Zuvor hatte es Filme lediglich als Zusatzprogramm in den Music Halls gegeben. In den zwanziger Jahren, der Ära von Charlie Chaplin und Rudolph Valentino, schossen in Dublin die Lichtspielhäuser wie Pilze aus dem Boden. Schon damals standen die IrInnen in dem Ruf, eine Nation begeisterter Kinogänger zu sein.

Erst die Einführung des Fernsehens in den 60er Jahren dämpfte die Begeisterung. Und zehn Jahre später waren die Besucherzahlen so stark zurückgegangen, daß viele Kinos die Projektoren für immer abschalteten. Aus dem Strand Cinema im Dubliner Norden wurde ein Bingo-Palast, andere Kinos wurden zu Supermärkten. Mitte der 80er hat sich der Trend jedoch umgekehrt. Was dem Kettenraucher Heinrich Böll so gut gefallen hatte, gehört jedoch für immer der Vergangenheit an: Seit Mai 1990 gilt im Auditorium Rauchverbot. „Es würde wohl einen Aufstand geben, würde man das Rauchen im Kino verbieten“, hatte Böll in seinem „Irischen Tagebuch“ befürchtet, „denn die Leidenschaft des Kinogehens ist bei den Iren mit der des Rauchens gekoppelt.“

Seit drei Jahren gibt es in Dublin das „Irish Film Centre“, wo die Fäden der irischen Filmindustrie – sie ist in den vergangenen Jahren aufgrund der Steuerfreiheit für KünstlerInnen explosionsartig gewachsen – zusammenlaufen. Das Gebäude im Temple-Bar-Viertel gehört zu den neuen Sehenswürdigkeiten. „Es ist eine Brutstätte für neue Initiativen in der Filmindustrie“, sagte der Direktor Richard Kearney bei der Eröffnung. „Es dient als Mikrokosmos der irischen Filmkultur.“ Neben rund einem Dutzend unabhängiger Organisationen aus dem Filmbereich beherbergt das Zentrum ein kleines Café im Foyer, eine gemütliche Kneipe, eine Diskothek sowie einen Laden mit Videos, Büchern und Memorabilia zum Thema Film. Und natürlich ein Kino. M. Lehnen / R. Sotscheck, Dublin