Sanssouci
: Rundumschlag

■ Einkaufen, Folge 2: Somnambul eingeschlossen im KaDeWe

Mein Lieblingserlebnis aus dem Bereich der Warenwelt war, als ich vor ein paar Jahren einmal im KaDeWe eingeschlossen wurde. Bis heute ist unklar, welcher Dämmer mich dazu gebracht hatte, den Ladenschluß zu verpassen. Alles dicht, alle Ausgänge verrammelt, also wohin, Frau? Ich muß wohl wie die typische KaDeWe-Mieze ausgesehen haben, und das zahlte sich jetzt endlich aus. Das Verkaufsvolk formierte sich zu einem Menschenstrom von beinahe Fritz-Langschen Ausmaßen. In meiner blühenden Erinnerung jedenfalls. Da tauchte ich ein, hoffend, daß bloß niemand merke, daß hier eine Betriebsfremde den Professionellen hinterherstolperte. James-Bond-steh-mir-bei.

Der Witz war, ich fiel überhaupt nicht auf. Auf diese Weise gelangte ich von der Sockenabteilung in den Bauch der Bestie Besserverdienendekaufhaus. Ein somnambuler Aussetzer bescherte mir einen Tunneltrip unter dicken Heizungsrohren, während rechts und links Spinde und Stechuhren mit ihren rosa und grünen Karten vorbeizogen. Ein paar Minuten später war der Rausch vorbei, und ich stand auf dem Tauentzien. Nix gekauft, aber viel erlebt. Zur Vertiefung poetischer Warenbekanntschaften empfehle ich im übrigen den Anfang von Patricia Highsmiths „Carol“, das ich damals auf der Bettkante hatte. Autorin und Heldin der Story haben eine stürmisch-versonnene Begegnung am Spielzeugtresen. „Weihnachten stand vor der Tür, ich war irgendwie deprimiert und hatte auch kein Geld.“ Bei „Frankenberg's“ passiert es dann. Kindsmutter trifft auf fiebrige studentische Hilfskraft Highsmith, woraus Liebe erwächst: „Eine blondhaarige Frau im Pelzmantel – sie ließ sich zum Ladentisch mit den Puppen treiben. Ich meinte, mich zu erinnern, daß sie zerstreut mit ihren Handschuhen leicht in die eine Hand schlug. Ich fühlte mich merkwürdig benommen, wie knapp vor einer Ohnmacht, so als hätte ich eine Vision gehabt.“ Speziell wenn sich Ende November der Tag meiner Verirrung jährt, bin ich beim Kauf immer hübsch bei der Sache. Sehe ich mich dann mit sicherer Hand nach der H-Milch greifen oder die mit Abstand häßlichste Stadtillustrierte wirklich nur wegen der liebenswerten Horoskope kaufen, weiß ich, alles wird gut, oder um mit Scarlett O'Hara zu sprechen: „Morgen ist auch ein Tag.“ Bitte bemühen Sie sich nun zu den Ausgängen. Wir schließen unser Geschäft in wenigen Minuten. Gudrun Holz