■ US-Astronauten passen nicht in Sowjetkapsel
: Trippelschritte für die Menschheit

Von den 88 AmerikanerInnen, die gegenwärtig das US-Astronautenkorps bilden, sind die wenigsten geeignet, am vereinbarten internationalen Raumstationsprogramm teilzunehmen. Die US-RaumfahrerInnen sind entweder zu groß oder zu dick – sie passen nicht in die russische Raumkapsel „Sojus“.

Obwohl Russen und Amerikaner seit Monaten eng zusammenarbeiten, die Shuttle-Missionen zur Raumstation „Mir“ organisierten und die internationale Raumstation „Alpha“ planen, sind der Nasa erst kürzlich die Körpermaße mitgeteilt worden, die ein Astronaut bei Sojus-Einsätzen nicht überschreiten darf. „Wir haben uns aber auch sehr dumm angestellt“, meint ein Ingenieur in Houston. „Die Sojus-Kapseln sind so eng wie einst unsere Geminis. Da hätte bei uns schon mal jemand auf die Idee kommen müssen, die Russen zu befragen.“

Zweimal schon scheiterten angehende US-Astronauten an ihren Körperformen:

1. Nach viermonatigem Training für einen Sojus-Flug bei Moskau wurde der US-Astronaut Scott Parazynski Mitte Oktober in die Vereinigten Staaten zurückgeschickt, weil plötzlich erkannt worden war, daß er mit 1,85 Meter viel zu groß ist.

2. Monatelang hatte die Astronautin Wendy Lawrence in Houston Russisch studiert. Anfang November wurde sie von der Sojus- Liste gestrichen, weil sie einen zu großen Brustumfang hat.

Die russischen Sojus-Kapseln entsprechen der Raumfahrttechnologie der sechziger Jahre. Kosmonauten und Astronauten fliegen in der engen Kapsel in der sogenannten Embryohaltung – die Knie an Brust und Kopf gepreßt, die Arme stark angewinkelt. Drei Personen sitzliegen in der Regel nebeneinander – weshalb besondere Beförderungsbedingungen gelten:

– Niemand darf größer sein als 1,62 Meter; niemand darf im Sitzen größer sein als 99,5 Zentimeter; jeder hat höchstens 84,15 Kilogramm zu wiegen.

– Da auch die Sojus-Raumanzüge limitiert sind, darf niemand einen größeren Brustumfang als maximal 110 Zentimeter, aber auch keinen geringeren als 95 Zentimeter haben.

Diese Maße sind auch wegen der Rückkehrbedingungen einzuhalten. Die Sojus-Kapseln landen an Fallschirmen hängend auf der Erde (meist in Kasachstan), im Gegensatz zu den längst in die Museen verbannten US-amerikanischen Kapseln, die auf Wasser niedergingen. Der Aufprall von Sojus ist enorm, so daß jeder übergewichtige, aber auch ein untergewichtiger Passagier schwer verletzt werden kann.

Die meisten Astronauten werden weder zur Mir noch später zur Alpha mit dem Shuttle befördert, sondern müssen Sojus-Kapseln benutzen. Vor allem aber ist eine solche Kapsel ständig an der Mir angedockt, denn sie dient als Rückkehrfahrzeug für einen Notfall. Der Shuttle hat eine viel zu lange Vorbereitungszeit, als daß er als Rettungsschiff eingesetzt werden könnte.

Es wird der Nasa schwerfallen, alle Astronauten zu stellen, die laut Verträgen die Mir besuchen und gemeinsam mit Russen und Europäern die internationale Raumstation Alpha errichten sollen, deren Bau schon im November 1997 beginnen soll. Von den 88 Astronauten kommen lediglich fünfzehn in Frage. Die Nasa hofft, daß die Russen ihre Sojus-Kapseln modifizieren, so daß die strikte Körpermaßregelung entfällt. Andernfalls müßte die US-Raumfahrtbehörde neue AstronautInnen rekrutieren, die den russischen Maßvorgaben gerecht werden – die vor allem klein sind. Wolfgang Will